Gebäudeverzeichnis

Gymnasiumstraße 2 - Altes Gymnasium

Adresse: Gymnasiumstraße 2
Primärkatasternummer: keine
Besitzer: 1827


Haustafel

Aus den Reparationszahlungen des 1871 besiegten Frankreichs konnte sich die Stadt Hall schon zwei Jahre später einen prächtigen Neubau für ihr Gymnasium und ihre Realschule leisten. Der Stuttgarter Architekt Friedrich Leins entwarf eine strenge Zweiflügelanlage im italienischen Stil. Im großzügigen Treppenhaus windet sich ein kunstvolles gusseisernes Geländer nach oben. Heute stehen hier städtische Ämter Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung.

Beschreibungen

Erbaut 1871 - 73 von Chr. Leins. Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, S. Stand 10/1982, 201)

 

Gymnasiumstraße 2 (Flst.Nr. 0-649). Ehem. Gymnasium und Realschule. Erbaut 1871 - 73 von Chr. Leins. § 12. (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Besonderheiten

Für die Ausstellung "Katechismus, Nähzeug, Büchermappe" 2002 konnten die ersten beiden Abiturientinnen am Haller Gymnasium ausfindig gemacht werden:


1909: Anna Heimann, eine der ersten beiden Haller Abiturientinnen

 

Ab 1900 führen die jahrzehntelangen Bemühungen der Frauenbewegung zum Erfolg: In den folgenden neun Jahren werden in Deutschland Frauen zum Studium zugelassen. Kaum hat Württemberg 1904 als drittes Land das Frauenstudium gestattet, melden sich zwei Absolventinnen der Höheren Mädchenschule am Jungengymnasium an, weil sie nur hier das Abitur machen können: Julie Baur, Tochter des Stadtpfarrers, und Anna Heimann, einziges Kind eines jüdischen Arztes.

Das Gymnasium nimmt die beiden 16-Jährigen auf. Allerdings will man nach zwei Jahren entscheiden, ob die beiden Schülerinnen tatsächlich bis zum Abschluss bleiben dürfen, „da über die Wirkungen der sich entwickelnden Pubertät noch nichts Allgemeingültiges sich feststellen lässt“. Im Sommer 1909 bestehen sie die Reifeprüfung und gehen nach Tübingen. Julie Baur schreibt sich an der philosophischen Fakultät ein, um für das höhere Lehramt zu studieren.

Anna Heimann ist bei den Medizinern eine von neun Studentinnen unter 295 Kommilitonen. Sie wird Mitglied im neu gegründeten Verein Tübinger Studentinnen. 1912 wechselt sie für ein Semester nach München, um schließlich in Freiburg ihr Studium zu beenden. Ihre Doktorarbeit schreibt sie 1915 über Nierentumoren bei Kindern. Für die Behandlung von Verwundeten in der Chirurgie der Universitätsklinik Freiburg erhält die Assistenzärztin Anna Heimann 1917 das Kriegsverdienstkreuz.

Die Medizinerin heiratet Fritz Reif, einen Arzt für Haut- und Harnorgane; 1920 und 1924 werden die beiden Söhne geboren. Ab 1921 arbeitet Anna Reif in Stuttgart als praktische Ärztin in eigenen Praxen. Unter den Nationalsozialisten verlieren jüdische Ärzte ihre Kassenzulassung, und 1938 flieht die Familie in die USA. Nur Fritz Reif ist dort als Arzt tätig, während Anna Reif ihren Beruf nicht mehr ausübt. 1957 stirbt sie mit 68 Jahren.

Aus: Ulrike Marski (Hrsg.), Katechismus, Nähzeug, Büchermappe. Weibliche Bildungswege in Schwäbisch Hall. Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung. Schwäbisch Hall 2002, S. 19