Haller Häuserlexikon – Primärkataster-Nr.

Am Spitalbach 8 - ehem. Spital zum Heiligen Geist

Adresse: Am Spitalbach 8
Primärkatasternummer: 487
Besitzer: 1827
Die Armenverwaltung


Besitzerliste

1827: Die Armenverwaltung

Haustafel

Der Hospital zum Heiligen Geist ist wie in vielen Städten eine bürgerliche Stiftung des Mittelalters. Nach dem Stadtbrand 1728 entstand in kurzer Zeit auf alten Fundamenten eine großzügige Dreiflügelanlage. Die barocke Hospitalkirche mit der Besonderheit des Kanzelaltars ist heute Veranstaltungsraum. Erst 1884 vollendeten die beiden Kopfbauten den Gebäudekomplex.

Beschreibungen

1827:  Sämtliche Spitalgebäude: 3/8 Morgen 26,1 Ruten; der innere Hof: 1/8 Morgen, 29,4 Ruten; der äußere Hof: 1/8 Morgen, 41,2 Ruten, insgesamt 7/8 Morgen 0,7 Ruten Grundfläche

Hospital zum Heiligen Geist mit Kirche, 1731, Anbauten 1884 von Stadtbaumeister Kolb. Mittelalterlicher Vorgängerbau 1317/23 gegründet; im Choranbau der Kapelle Rest der ehem. Zwingermauer. Am 08.10.1925 in das Landesverzeichnis der Baudenkmale in Württemberg eingetragen. Mittelalterliche Bodenfunde sind zu erwarten. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, Stand 10/1982, S. 92)

 

Am Spitalbach 8 (Flst.Nr. 0-84/2). Hospital zum Heiligen Geist mit Kirche (§ 28), 1731, Anbauten von 1884. Vorgängerbau von 1317/ 23. Choranbau. Rest der ehem. Zwingermauer (siehe auch unter Sachgesamtheit Stadtbefestigung "Am Markt 14, ..."). § 28. (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Besonderheiten

Bau und künstlerische Ausstattung der Hospitalkirche

Auch die Gebäude des 1228 erstmals erwähnten Hospitals zum Heiligen Geist fielen dem „Großen Stadtbrand“ vom 31. August 1728 zum Opfer. Der Grundstein für den Wiederaufbau des Spitals wurde am 15. Mai 1730 gelegt. Für die zugehörige Kirche wählte man einen anderen Standort, da die Nähe zur benachbarten Straße zu „zuviel Störung der Andacht“ (Gerd Wunder) geführt hätte. Die Grundsteinlegung für die Kirche an einem vom Spitalbach zurückgesetzten Standort an der Stadtmauer erfolgte am 1. Juni 1731; auf einer bei dieser Gelegenheit angefertigten Zinntafel werden neben den beteiligten Herren der reichsstädtischen Verwaltung (Stättmeister, Ratsherren, Spitalmeister...) auch die beiden „Steinmetzen und Maurer“ Johann Georg Arnold und Eberhard Friedrich Heim erwähnt. Arnold und Heim waren also, wie Gerd Wunder festgestellt hat, Baumeister beim Spital und beim Rathaus und setzten wohl einen Gesamtplan um, der von dem württembergischen Baumeister Johann Ulrich Heim stammte.  Der Bau der Kirche ging zunächst zügig voran, wurde aber nach dem Aufsetzen des Dachs unterbrochen, um Ställe und Scheunen und dann die anderen Räumlichkeiten des Hospitals fertig zu stellen. Damit sollten eine „ordentliche Haushaltung“ und die Unterbringung der Pfründner (Insassen) und der Bediensteten ermöglicht werden. Da der Weg zu der als provisorische Hospitalkirche dienenden Kapelle auf dem Nikolaifriedhof für „so mnache alte, kränkliche, elende und presthafte Personen, auch schwache Kinder, absonderlich bei kalter und rauher Winterszeit“ mühsam sei, nahm man 1737 die Arbeiten an der Hospitalkirche wieder auf. Der „ersprießliche Endzweck“ war, dass „die Kranke auf ihren Betten in der Krankenstube liegend und die Gefangene oder verwahrte melancholische oder wahnsinnige Leute in ihren Gewölben eingeschlossen den Vortrag des Worts von der Kanzel hören können.“
Die feierliche Einweihung der Kirche erfolgte am 26. Mai 1738, begleitet von einer Übergabe des Schlüssels durch Spitalmeister A. Textor, Ansprachen des Spitalverwalters Ch. H. Hezel, des Stättmeisters Hartmann und einer Predigt des Dekans Seyboth, der im Rahmen des Gottesdienstes auch zwei Trauungen durchführte. Anschließend begaben sich die Honoratioren zu einer „mäßigen Mittagsmahlzeit“. Die Spitalpfründner erhielten zur Feier des  Tages zu ihrer gewöhnlichen Mahlzeit als „außerordentliche Wohltat“ einen Schoppen Wein und ein halbes Pfund Fleisch.
Die Malereien in der Kirche stammen von dem Schwäbisch Haller Maler und Stuckateur Johann Michael Roscher, der auch einige Privathäuser der Zeit dekoriert hat (vgl. z.B. das Egenhaus, Am Markt 9). Das im Gegensatz zu anderen Arbeiten signierte Gemälde ist die bedeutendste Arbeit des Haller Künstlers. Unter seiner Signatur (unter einem Pauken spielenden Engel in einer der Ecken) haben sich auch Maler verewigt, die Restaurierungen durchgeführt haben. Das Gemälde zeigt einen in Untersicht gemalten, zweigeschossigen Zentralraum mit Emporen, dessen Decke sich in einen Himmel öffnet. Hier werden unter dem dreieinigen Gott (Vater, Sohn und Heiliger Geist) alttestamentarische Könige und Propheten, Apostel, Evangelisten und Heilige gezeigt; hierunter befindet sich Martin Luther (erkennbar am schwarzen Talar und der aufgeschlagenen Bibel), neben ihm möglicherweise der Schwäbisch Haller Reformator Johannes Brenz.  Die Vorlage Roschers stammt wahrscheinlich aus Paul Deckers „Fürstlichem Baumeister“, wurde aber vereinfacht und vermutlich den Wünschen der Schwäbisch Haller Auftraggeber angepasst. So weist Dr. Ewald Jeutter darauf hin, dass das Motiv des Freskos zu einem wohl von Dekan Nikolaus Wilhelm Seyboth bei der Einweihung gesprochenen Gebt passe, dem zufolge die Kirche als Haus Gottes eine „Pforte zum Himmel“ geworden sei.
Die Stuckaturen – herausragend hierbei die Kanzelwand, die der Frankfurter Kaufmann Johann Dwerhagen stiftete – sind Arbeiten eines der beiden in Ludwigsburg wirkenden, aus Norditalien stammenden Brüder Antonio oder Carlo Ferretti. Eine eindeutige Zuordnung war bislang nicht möglich. Maurer- und Steinmetzarbeiten – möglicherweise auch einen Teil der Stuckaturen – fertigte der aus Rothenburg nach Schwäbisch Hall gekommene Maurer und Steinmetz Johann Friedrich Jotz.
Die ein Jahr später, am 18. Mai 1739 eingeweihte Orgel ist ein Werk des Schwäbisch Haller Orgelbauers Johann Adam Haug und wurde durch Anna Catharina Hezel geb. Bölz gestiftet, die Witwe des Ratsherren Johann Jakob Hezel.
(Text: Daniel Stihler, nach Wunder: Einweihung und Jeutter: Raumdekorationen, ganze Titel s. unter Quellen)

Nutzung der Hospitalkirche durch die dem Nationalsozialismus nahe stehenden „Deutschen Christen”

Anfang 1933 entstand in Schwäbisch Hall eine Ortsgruppe der dem Nationalsozialismus nahe stehenden „Glaubensbewegung Deutsche Christen”. Sie dürfte – auch wenn Mitgliederzahlen fehlen – anfangs erheblichen Zulauf gehabt haben. Erster örtlicher Leiter wurde Stadtpfarrer Dr. Albert Zink, Kreisleiter der Riedener Pfarrer Emil Nothwang. Für eine gewisse Zeit traten die „Deutschen Christen“ unwidersprochen als Wortführer der Schwäbisch Haller Protestanten auf; viele der 1933 gewählten Kirchengemeinderäte gehörten dieser Gruppe an. Äußerungen radikaler Vertreter der „Deutschen Christen“, die einen totalen Herrschaftsanspruch des Staates auch über die Kirche und einer radikale Ablehnung des Alten Testaments und von Teilen des Neuen Testaments vertraten, führten Ende 1933 jedoch zu einem Auseinanderbrechen der „DC“. Viele Pfarrer und Laien sahen in solchen Positionen eine Abkehr von den theologischen Grundlagen des Protestantismus und wandten sich ab. Die Mehrheit der Pfarrer schloss sich dem „Pfarrernotbund” an, der den „Deutschen Christen” entgegentrat. Im Jahr 1934 erreichte der Konflikt einen Höhepunkt, als „Reichsbischof“ Ludwig Müller zweimal versuchte, die Württembergische Landeskirche staatsstreichartig in die deutschchristlich dominierte Reichskirche einzugliedern und den Landesbischof Theophil Wurm aus dem Amt zu entfernen. Beide Anläufe scheiterten am Widerstand einer Mehrheit der Pfarrer und der protestantischen Laien.
Diese Ereignisse markierten in Stadt und Kirchenbezirk jedoch den Beginn einer weiteren Eskalation.  Eine Schlüsselrolle hierbei spielte der seit 1930 in Gailenkirchen und Gottwollshausen wirkende Pfarrer Martin Hinderer, ein entschiedener und aggressiver Vertreter des radikalen Zweigs der „DC“. Hinderer gelang es, beim Schwäbisch Haller Bürgermeister Dr. Wilhelm Prinzig ab September 1935 die Erlaubnis zur Nutzung der Hospitalkirche zu erwirken. Dies war möglich, weil das Stadtoberhaupt über die der Hospitalstiftung gehörende Kirche verfügen konnte. Man begründete das Ansinnen damit, dass die „Bekenntnispfarrer“ (die Mehrheit der Schwäbisch Haller Pfarrer, die der „Bekennenden Kirche“ nahe standen) Feinde nicht nur der „Deutschen Christen“, sondern des Nationalsozialismus insgesamt seien. Verbote des Oberkirchenrats, separate Gottesdienste der „DC“ durchzuführen, ignorierte Hinderer. Diese fanden Ende 1935 zweimal im Monat morgens um acht Uhr statt, später wöchentlich. Besucht wurden sie von den (Stand August 1935) rund 200 Mitgliedern der Haller DC-Ortsgruppe und Anhängern aus den Landgemeinden, in denen es keine eigenen Feiern gab.
Durch den schrittweisen Ausbau der kirchlichen Handlungen entwickelte sich die Hospitalkirche de facto zum Zentrum einer deutschchristlichen Freikirche außerhalb der Evangelischen Landeskirche Württembergs. Trauungen gab es bereits ab 1935, ab 1937 auch Konfirmandenunterricht. Später finden sich Hinweise auf die ganze Palette kirchlicher Feiern und Handlungen, darunter auch Taufen, deren Legitimität die Landeskirche nicht anerkannte.  
Der wegen seiner radikalen Agitation 1936 von der Landeskirche in den Ruhestand versetzte Stuttgarter Pfarrer Georg Schneider hielt sich aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen oft in Schwäbisch Hall auf und war neben Hinderer eine prägende Persönlichkeit der Ortsgruppe. Die in den Quellen zahlreich belegten Äußerungen belegen, dass sich die Gruppe explizit als religiöser Arm des Nationalsozialismus verstand. Dem gegenüber warfen Hinderer und andere Akteure der Landeskirche regelmäßig vor, „verjudet“ und in „jüdischem Denken“ befangen zu sein. Der mit harten Bandagen ausgetragene Konflikt mündete im August 1938 in die Zwangsversetzung Hinderers in den Ruhestand und eine zentral gesteuerte Austrittsbewegung, in deren Verlauf fast alle Haller „Deutschen Christen” aus der Landeskirche austraten. Für die Stadtpfarreien sind in den Jahren 1937 und 1938 Übertritte „zu den DC“ für 137 Erwachsene und 24 Kinder erwähnt, weitere gab es in den Folgejahren und in den Landgemeinden. Relativ bald darauf begann aber offenbar ein Niedergang der DC-Gemeinde, der das Resultat der zunehmenden Agitation der NSDAP nicht nur gegen die Amtskirchen, sondern gegen das Christentum allgemein war. Bei den „Deutschen Christen” scheint dies teilweise eine Desillusionierung ausgelöst zu haben, die – wie man zumindest nach 1945 behauptete – zu einem Abrücken vom Nationalsozialismus führte. Im Juni 1944 fanden „Gottesfeiern“ (Gottesdienste) nur noch alle sechs bis acht Wochen mit etwa 20 Besuchern statt, in den Konfirmandenunterricht (eine Wochenstunde) kamen sieben Kinder. Bald darauf muss sich die Gruppe stillschweigend aufgelöst haben; die meisten Mitglieder schlossen sich wieder der Landeskirche an und machten ihre Kirchenaustritte rückgängig. Charakteristisch sind Beteuerungen, den Austritt aus der Kirche bereut und sich am DC-Gemeindeleben kaum beteiligt zu haben. Lokale Ableger der rasch entstehenden DC-Nachfolgeorganisationen lassen sich nicht nachweisen.
(Text: Daniel Stihler, nach: ders.: „Kirchenkampf“..., s. unter Quellen)

 

Quellen

Literatur:

  • Ewald Jeutter: Raumdekorationen aus dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts in Bürgerhäusern der ehemals "Freyen Reichsstadt Hall. Ein Beitrag zu den Auftraggebern und den Dekorateuren, in: Württembergisch Franken 79 (1995), S. 244-3122, hier S. 255f.
  • Daniel Stihler: "Kirchenkampf", "Deutsche Christen" und "Weltanschaulicher Unterricht": Die evangelische Kirche in Stadt und Region Schwäbisch Hall zwischen 1933 und 1945, in: Bausteine zur Geschichte Schwäbisch Halls, Bd. 2, Schwäbisch Hall 2015, S. 91-181
  • Gerd Wunder: Die Einweihung der Haller Spitalkirche. Was wissen wir eigentlich von diesem einstigen Gotteshaus?, in: Der Hallquell 18 (1966), S. 65-67