Haller Häuserlexikon – Primärkataster-Nr.

Gelbinger Gasse 16 - Eine überdekorierte Fassade

Adresse: Gelbinger Gasse 16
Primärkatasternummer: 288
Besitzer: 1827
Wendel, Friedrich David, Seiler; Bek, Julius Heinrich


Besitzerliste

1805: Johann Heinrich Julius Bek, Bürger und Strumpfweber in Hall, erwirbt am 30. April 1805 ein Drittel des Hauses (den ganzen mittleren Stock samt der Bühne bis auf eine Kammer, den ganzen obersten Boden der halbe Hofraum, den halben Keller, den halben Garten)  für 1.000 Gulden von seinem Schwiegervater Georg Caspar Häfele, Bürger in Hall und Bäckermeister in Gelbingen. 

1815: Der Seiler Friedrich David Wendel erwirbt zwei Drittel des Hauses von seiner Mutter, "Sailer Wendels Wittib", vermutlich aus deren Nachlass (Realteilung nicht erhalten).

1827 (Primärkataster): als Besitzer genannt:
Wendel, Friedrich David, Seiler, zu 2/3
Bek, Julius Heinrich, Strumpfweber, zu 1/3

1850: Nach oberamtsgerichtlich genehmigtem Versteigerungsprotokoll erwirbt Schneidermeister Christof Haag jun. am 19. Oktober 1850 das Hausdrittel für 745 Gulden aus der Gantmasse (Konkursmasse) der Witwe des Strumpfwebers Bek. Der Besitzübergang erfolgt auf 1. Juli 1850.

1876: Nach zweimaligem Aufstrich und entgültigen Zuschlag  vom 4. März 1876 wird der Hausanteil von zwei Dritteln aus der Verlassenschaftsmasse des Seilers Friedrich David Wendel und seiner Ehefrau im Wege der Versteigerung für 6.000 Gulden an den Metzger Gottlieb Wieland verkauft. Eingeschlossen in den Verkauf ist die Hälfte des hinter dem Haus gelegenen Gemüsegartens von  2 ar 13 qm. Als Datum des Besitzübergangs wird der 1. Juli 1876 festgelegt.

1876:  Schneidermeister Johann Christof Haag vekauft sein Hausdrittel sowie die Hälfte an einem Gartengrundstück hinter dem Haus am 7 April 1876 für 5.140 Gulden an den Metzger Gottlieb Wieland. Als Datum des Besitzübergangs wird Georgi [23. April] 1876 festgelegt. Wieland verpflichtet sich, "den Verkäufer mit seinem Personal vom 23. April 1876 an in der Miethe in dem verkauften Logis zu belassen; es werden ihm zur Benützung eingeräumt: die Wohnstube mit Schlafstube u. 1 Kammer vornen heraus, Küche, die bisherige Gesellenkammer im oberen Stock, der obere Boden wie er zu dem verkauften Logis gehört, u. Antheil am Keller." Der jährliche Mietzins ab Georgi 1876 beträgt 100 Gulden. Damit ist Wieland alleiniger Eigentümer des gesamten Hauses.

1877: Gottlieb Wieland verkauft das ihm gehörende Nachbarhaus Nr. 287 (heute Gelbinger Gasse 14) am 27. Juli 1877 für 5.657 Mark an Susanne Klenk geb. Wurst, Witwe des Michael Klenk, Spinner, behält aber das Eigentum an dem unter dem Hauseingang befindlichen Keller. Zu diesem Zweck soll ein neuer Kellereingang vom Nachbarhaus Nr. 288 her eingebrochen werden. Hingegen verpflichtet sich Susanne Klenk, das Hinterhaus nicht höher zu bauen, um dem Wohnhaus des Verkäufers "das Licht nicht zu entziehen."

1878: Metzgermeister Gottlieb Wieland und die Stadtgemeinde Hall einigen sich in einem am 12. März 1878 in das Kaufbuch eingetragenen Vertrag über die Abtretung eines 12 qm messenden Teils des Hausgrundstücks Nr. 288 an die Stadtgemeinde. Demzufolge hat Wieland "das Haus No. 288 unter Zurückfahren in die Strassenbaulinie auf seine Kosten vollständig umgebaut". Für dieses "Zurückfahren" und das Abtreten des der Straße zugeschlagenen Teils des Hausgrundstücks erhält Wieland aus der Stadtkasse in mehreren Raten insgesamt 3.000 Mark. 

1901 in das Grundbuch umgeschrieben.

Haustafel

Beim Einbau eines Metzgerladens entstand 1882 eine zurückgesetzte Front im Stil des Historismus: Das alles reglementierende 19. Jahrhundert liebte breite, gerade Baufluchten. Später galt eine so reichlich geschmückte Fassade als Schandfleck. Viele derartige Häuser wurden in der Nachkriegszeit abgerissen. Heute sind wir froh, einige von ihnen bewahrt zu haben.

Befunde aus Bauakten

Bemerkung: soweit nicht anders vermerkt, stammen die Angaben aus den Bauakten im Baurechtsamt.

1876: Das Oberamt Hall genehmigt die Einrichtung einer Metzgerei im Haus unter Auflagen: "Bezüglich der Schlächtereianlage des Metzgers Gottlieb Wieland in Hall (Öhringer Straße Nr. 288) hat der Techniker der K. Kreisreg[ierung], Bezirksbauinspektor Gebhardt in Ellwangen, u.a. ein Gutachten dahin abgegeben, daß die Flüssigkeiten aus dem Fleischkeller, der Wurstküche, dem Schlachtraum und der Kchküche mittelst Seitendohlen in eine gemeinschaftliche, nach der Länge des Hauses geführten Dohle u. von letzterer in die städtische Dohle geleitet werden sollen, u. daß diesee sämmtl[ichen] Dohlen genügenden lichten Querschnitt u. angemessenes Gefäll erhalten, wasserdicht gemauert und sie an der Einmündung in den oben genannt[en] Gelassen u. in angemessenen Entfernungen im Hausöhrn mit gleichfalls wasserdicht gemauerten u. mit Schlammsäcken versehenen, oben mit Steinplatten bedeckten Senkschächten hergestellt werden müssen."

1878: Dem Vertrag über den Verkauf eines Teils des Hausgrundstücks durch Metzgermeister Wieland an die Stadtgemeinde ist zu entnehmen, dass im Zuge vorangegangener Bauarbeiten auch die Fassade des Hauses auf die Straßenflucht zurückgesetzt wurde (siehe Kaufbuch 1878). 

1882: Die Jahreszahl „1882“in dem aus Fliesen gebildeten Dekorationsfeld im Erdgeschoss legt nahe, dass die historistische Umgestaltung der Fassade erst 1882 stattfand. Bauakten, die dies belegen, existieren jedoch nicht. Möglicherweise wurden die hauptsächlichen Bauarbeiten bereits bis 1878 durchgeführt (s. oben).

1897: Bau eines neuen, einstöckigen Waschküchengebäudes im Hofraum hinter dem Haus durch Metzger Gottlieb Wieland. 

1908/1911: Durch Umbauten im Erdgeschoss verlagert Metzgermeister Wieland den Laden aus der linken in die rechte Haushälfte; es werden ein Schaufenster und eine neue Tür eingebaut. Die 1908 genehmigten baulichen Veränderungen werden erst 1911 ausgeführt.

1929: Vergrößerung der Rauchkammer durch Metzgermeister Karl Wieland.

1946: Nach Beanstandungen in der Wurstküche durch Stadttierarzt Dr. Kröll finden kleinere Renovierungsarbeiten statt, für die Metzgermeister Karl Wieland das notwendige Baumaterial zugeteilt bekommt.

1966: Die Stadt erteilt die Genehmigung zum "Einbau von Spülaborten mit direktem Anschluß an das städt. Dolennetz." Im gleichen Jahr erfolgt der Einbau eines 1.500-Liter-Heizöltanks in das Haus. Außerdem wird das Schaufenster im Erdgeschoss umgebaut.

1992/93: Umbau des Erdgeschosses als Ladenfläche für das "Haller Stahlwarenhaus Hebsacker GmbH", bei dem v.a. zur Vergrößerung der Geschäftsfläche Wände entfernt werden.

1996: Umbau und Sanierung des Hauses für Hermann Hebsacker vom 1. Obergeschoss bis in den Spitzboden durch den Architekten Dipl.-Ing. Ulrich Mix.

Beschreibungen

1805: Verkauf eines Drittels am Haus durch G. C. Häfele an J. H. J.Bek); "Ein Drittel an Einer Behausung in der Gelbinger Gasse zwischen Hirschwirt Wolf und Buchbinder Röler, hinten auf den Garten und vornen auf die Straße stossend; gültfrey.
Dieße 1/3tel Behausung besteht in
1.) dem ganzen mittleren Stok samt der Bühne bis auf die Kammer an der Stiege hinten hinaus, welche dem Mitbesitzer,Seilermeister Johann Friedrich Bühl, der das übrige an diesem Hause besizt, eigenthumlich verbleibt.
2.) im oberen Stok, in einer Kammer, oberhalb des Bühls benannter Kammer, hinten hinaus auf der hintern Seite.
3.) dem ganzen obersten Boden, welchen Käufer beschliessen darf, wie der Bühl seinen untern Boden, weswegen sie einander um die Eröfnung zu ersuchen haben, wenn ein oder der andere in seinen Boden gehen will, der Zug samt dem Seil und Tunnelbaum im obersten Boden hingegen verbleibt zwischen beiden Hausbesizern halbteilig, und muß auch von ihnen erhalten werden.
4.) der Helften an dem Höflein, und der darin befindlichen Schweinställen, Bakofen, Waschkessel-Gerechtigkeit und Hünerhaus.
5.) dem halben Keller samt dem Eingang im Innern im Keller hinein, und
6.) den halben Garten hinter dem Haus, dann hat
7.) der Käufer das Dach und die Rinnen zu 1/3, was aber halbtheilig zur Helfte, hingegen was jeder allein besizt, auch allein im Bau zu erhalten."

1827: Wohnhaus mit 24,1 Ruten Grundfläche in der Heilbronner Straße

ca. 1840 (Güterbuch 2):

1.) Hausanteil des Friedrich David Wendel (S. 519):

"Gebäude
2/3tel an 24,1 Rthn. VIII 288
Einem 3stokigten Wohnhaus in der Gelbinger Gasse, neben Hirschwirth Wolf u. Mezger Firnhaber, wozu gehört:
a., der halbe Keller
b., der ganze untere Stok mit Ausnahme der Waschküche, des Bakofens, Schwein- und Hühnerstalls, welche mit dem Mithausbesizer gemeinschaftlich sind
c., im mittleren Stok: eine kammer links an der Stiege
d., der ganze obere Stok mit Ausnahme einer Kammer, welche dem Mithausbesizer gehört.
e., der ganze untere Dachboden.
B.V.A. 2,000 fl"

2. Hausanteil der Julius Heinrich Bek, Strumpfwebers Wittib (S. 524):

"Gebäude
1/3tel an 24,1 Rthn. VIII 288
Einem 3stokigten Wohnhaus in der Gelbinger Gasse, neben Hirschwirth Wolf u. Gottfried Firnhaber, wozu gehört:
a., der halbe Keller
b., im unteren Stok: die gemeinschaftliche Waschküche, Bakofen, Hüner- u. Schweinstall;
c., der ganze mittlere Stok mit Ausnahme einer Kammer, welche dem Mithausbesizer gehört;
d., im dritten Stok eine Kammer links der Stiege
e., der ganze obere Dachboden
B.V.A. 1000 fl"

1877 (Vereinbarung mit den Besitzern des Nachbarhauses Gelbinger Gasse 14): "Die Besitzerin des Wohnhauses Nr. 287 [Gelbinger Gasse 14] hat sich lt. Kfvertrags v. 27. Juli 1877 Kfb. Bd. 24 S. 311 für sich u. ihre Rechtsnachfolger verpflichtet, das leztgenannte Hintergebäude nicht höher zu bauen, um dem vorbeschriebenen Wohnhaus No. 288 das Licht nicht zu entziehen."

1877 (zu Nr. 288 gehörender Keller unter dem Nachbarhaus Nr. 287 = Gelbinger Gasse 14): "Der unter dem Hauseingang befindliche Keller verbleibt dem Verkäufer, jedoch mit der Einschränkung, daß er den Eingang in diesen Keller nicht mehr durch das verkaufte Haus nehmen darf, sondern zu diesem Zweck einen Eingang in seinem anstoßenden eigenen Haus durchzubrechen hat."

Beschreibungen in den Denkmallisten

Das dreigeschossige, giebelständige Fachwerkwohnhaus führt sein Erscheinungsbild auf die historisierende Umarbeitung eines älteren Gebäudes im Jahre 1882 zurück (Datierung im Schmuckfeld zwischen den Schaufenstern im Erdgeschoss). Damaliger Eigentümer war der Metzgermeister Wieland. Die Architektur des späten 19. Jh. ist mit Ladeneinbau (teilweise ursprüngliche Sprossengliederung der Schaufenster), Keramik-Tafel (mit dem Baudatum versehen), aufwendig gegliedertem Giebeldreieck mit einem Fenstererker, rundbogiger Dachgeschossöffnung und Schopfwalm überliefert. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, Stand 10/1982, S. 149)

Gelbinger Gasse 16 (Flst.Nr. 0-16/4). Dreigeschossiges, giebelständiges Fachwerk-Wohnhaus. Durch Umarbeitung eines älteren Gebäudes im Jahr 1882 historisierendes Erscheinungsbild. Im 19. Jahrhundert Ladeneinbau, Sprossengliederung der Schaufenster, Giebeldreieck mit Fenstererker, rundbogige Dachgeschossöffnung, Schopfwalm. § 2. (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Quellen

Archivalien:

  • Baurechtsamt Schwäbisch Hall, Bauakten Gelbinger Gasse 16
  • Stadtarchiv Schwäb. Hall 19/827 (Güterbuch 2), S. 519, 524 
  • Stadtarchiv Schwäb. Hall 19/830 (Güterbuch 5), S. 90
  • Stadtarchiv Schwäb. Hall 19/837 (Güterbuch 12), S. 127
  • Stadtarchiv Schwäb. Hall 19/998 (Kaufbuch 1803-1805), Bl. 210v (Nr. 137)
  • Stadtarchiv Schwäb. Hall 19/1025 (Kaufbuch 1849-1851), Bl. 156
  • Stadtarchiv Schwäb. Hall 19/1041 (Kaufbuch, Bd. 23, 1876), S. 157, 162
  • Stadtarchiv Schwäb. Hall 19/1042 (Kaufbuch, Bd. 24, 1877), S. 311
  • Stadtarchiv Schwäb. Hall 19/1043 (Kaufbuch, Bd. 25, 1878),S. 70