Haller Häuserlexikon – Primärkataster-Nr.

Gelbinger Gasse 80 und 80/1

Adresse: Gelbinger Gasse 80 und 80/1
Primärkatasternummer: 334 und 334 1/2
Besitzer: 1827
334: Sandel, Eberhard Friedrich, Kaufmann; 334 1/2: Ziegler, Johann Georg Jacob, Schlossermeister


Besitzerliste

1579: Laut einem am 8. Februar 1579 eingetragenen Vertrag verkauft Margaretha Horch, Witwe des Veltin Kern, ihr Haus in der Gelbinger Gasse zwischen Lienhard Schnecks Witwe und Lienhard Grün für 125 Gulden an den aus Markdorf am Bodensee stammenden Hutmacher Michel Dürr (†1614), der1558 in das Bürgerrecht der Reichsstadt Schwäbisch Hall aufgenommen worden ist (4/653, Bl. 29r). 

1594: Laut einem am 14. März 1594 bei der Kanzlei eingetragenen Kaufvertrag verkauft Michel Dür sein Haus in der Gelbinger Gasse zwischen Lienhard Grün und Burkhard Hambrecht für 180 Gulden an seinen aus seiner ersten Ehe mit Margarethe geb. Schmidt († um 1590) stammenden Sohn, den Hutmacher Georg Dürr (1568-1639) ( 4/655, Bl. 101v). Dieser  war fünfmal verheiratet, seine dritte Ehefrau Barbara (†1612) scheint laut Sterbebucheintrag sich selbst und ihrem neugeborenen Kind das Leben genommen zu haben; sie hat demzufolge "nit allein ihr Kindt, sondern auch sich selbsten ... layder gantz muetwillig um ihr Leben gebracht, Gott woll ihr armen Sünderin gnädig sein." Dürr ist erst seit 1597 als Bewohner der Gelbinger Gasse nachweisbar, wird aber in der Beetliste von 1623/24 einem anderen Abschnitt der Beetliste genannt ("Vom Gelbinger Thor herein in der Plentstatt"). Die Zuordnung des Hauses ist aufgrund der Nachbarn und der darauf haftenden Vorgeldgült des Rats jedoch relativ sicher. Möglilcherweise hat Dürr das Haus besessen, aber nicht selbst bewohnt. 

1639: Im Zuge der Inventur des am 2. November 1639 verstorbenen Hutmachers Georg Dürr wird sein "Heußlin" in der Gelbinger Gasse an den Sohn erster Ehe Joß (oder: Joseph) Dürr (1606-1676), ebenfalls Hutmacher, verkauft (14/738).

1676: Nach dem Tod des am 11. Dezember 1676 verstorbenen Joseph Dürr, Hutschnurmacher, geht sein Haus in der Gelbinger Gasse zwischen Hans Jörg Grüen, Taglöhner, und Michael Dirolf, Brunnenknecht, an den Sohn Hans Thomas Dürr (1644-1716), einen Sattler und Leistschneider (14/1158). Er hatte zunächst das Sattlerhandwerk gelernt, war aber auf seiner Wanderschaft in Bayern von einem Fuhrwerk überfahren worden und hatte einen dreifachen Bruch seines Beins erlitten, der nur unzureichend "corrigirt" (eingerichtet wurde), so dass er den Rest seines Lebens darunter litt. Möglicherweise aufgrund der Folgen dieses Unfalls hatte er nach seiner Rückkehr noch das Leistschneiderhandwerk (Zuarbeit für den Schuhmacher) erlernt.

1716: Laut der Inventur des am 10. September 1716 verstorbenen Johann Thomas Dürr, Leistenschneider und Sattler, wird das Haus zwischen Schuhmacher Hans Leonhard Schwartz und Grabenreiter Augustin Röger an die Tochter Maria Barbara Franck geb. Dürr, Ehefrau des Metzgers Georg Melchior Franck, verkauft (14/1865).

1716/1719: Für den bereits in der Inventur von 1716 genannten Verkauf des Hauses wird nachträglich ein formeller, am 27. August 1719 eingetragener Kaufvertrag aufgesetzt und eingetragen. Diesem zufolge verkauft Johann Michael Steiner, Bürger und Schmied im Weiler, das ihm durch seine Ehefrau Elisabetha Rosina geb. Dürr anteilig zugefallene Haus seines verstorbenen Schwiegervaters Thomas Dürr, zwischen Grabenreiter Augustin Röger und Balthas Auerhammers Wittib gelegen, an seinen Schwager und Miterben Georg Melchior Frank, Metzger. Die Kaufsumme ist die Übernahme einer auf dem Haus haftenden Grundschuld gegenüber der Katharinenpflege sowie durch jährliche, ab 1717 fällige und jeweils auf Martini zu entrichtende Zahlungen von 20 Gulden abzutragen (4/675, Bl. 157b).

1742: Georg Franz Föll (1703-1776), Grabenreiter des Bühleramts, erwirbt das Haus am 15. Oktober 1742 für 330 Gulden (4/1544, Bl. 592). 

1776: Das Haus geht vermutlich nach dem Tod von Georg Franz Föll als Erbschaft an seinen Sohn, den Büchsenmacher Georg Jacob David Föll (S27).

Anmerkung: ab 1790 ist das Haus auf zwei Teile aufgeteilt, deren  Besitzergeschichte zwecks besserer Übersichtlichkeit separat aufgelistet wird:

nördliche Haushälfte:

1790: Georg Jacob David Föll verkauft die nördliche (dem Seiler Haaf zu gelegene) Hälfte des Hauses an Maria Katharina Schmidt, Witwe des Gradierzimmermanns Christoph Schmidt (Kaufvertrag nicht auffindbar, wird im Weiterverkauf 1791 erwähnt).

1791: Maria Katharina Schmidt, Witwe des Gradierzimmermanns Christoph Schmidt, verkauft ihren "vor Jahr und Tag" von Georg Jacob David Föll erworbene Haushälfte am 20. Juli 1791 für 513 Gulden an Johann David Wezel, Bürger und Schuhmacher allhier (4/1544, Bl. 592). 

danach: Die Wezel'sche Haushälfte kommt auf bislang noch unbekannte Weise an den Schlossermeister Johann Georg Jacob Ziegler.

1827: der Johann Georg Jacob Ziegler gehörende Hausanteil erhält die Primärkatasternummer 334½.

südliche Haushälfte:

1793: Jakob Wieland vom Gliemenhof, Beisitzer in Hall, kauft am 29. November 1793 die bisher dem Büchsenmacher Georg Jacob David Föll gehörende (südliche) Haushälfte für 500 Gulden, muss diese aber zufolge eines am 6. Dezember 1793 eingetragenen Vertrags an Johann David Wezel abtreten, der als Besitzer der anderen Haushälfte sein Vorkaufsrecht geltend macht (4/691, Bl. 323).  

1794: Die (südliche) Haushälfte geht am 31. März 1794 für 500 Gulden an Schlossermeister Jacob Friedrich Dierolf (4/1544, Bl. 592). 

1801: Susanna Elisabetha Kurtzenberger erwirbt den (südlichen) Hausanteil am 2. Oktober 1801 für 950 Gulden aus dem Vorbesitz von Jacob Friedrich Dierolf (4/1544, Bl. 592). 

1811: Neuer Eigentümer der südlichen Haushälfte wird der Buchbinder Johann Ludwig Kurtzenberger, der diesen am 30. Oktober 1811 für 375 Gulden erwirbt (4/1544, Bl. 592). 

1817: Der in der Marktstraße wohnhafte Kaufmann Eberhard Ludwig Sandel erwirbt den bisher Kurtzenberger'schen (südlichen) Hausanteil am 22. Januar 1817 für 615 Gulden (4/1544, Bl. 592). 

1827: Der Eberhard Friedrich Sandel gehörende Hausanteil erhält die Primärkatasternummer 334. 

Beschreibungen

historische Beschreibungen:

1579 (Verkauf an Michel Dürr): „ihr Hauß und Hofraithin in Gelbingergaßen zwischen Lienhardt Schnecks Wittib und Lienhardt Grönen gelegen, gilt einem Erbarn Rhat 1 ß Vorgelds“ (4/653, Bl. 29r)

1594 (Verkauf an Georg Dürr): „...an seinem ime umb 180 fl aberkaufften Hauß und Hofreithin alhie inn Gelbinger Gassen zwischen Lienhardt Grönen und Burkhardt Hanprecht gelegen, gült eim E[hrbaren] Rhat 1 ß Vorgelt, sonsten aigen“ (4/655,Bl. 101v).

1639 (Inventur des Georg Dürr): „Daß Heußlin in Gelbing[er] Gassen, gültet Junckher Adler deß Rhats järlich uff Marthini 1 ß Vorgelt u[nd] dem Heyligen zu St. Katharina 22 ß 6 hr ewigs Zinß, kaufft der aine Sohn Joß Dürr umb 180 fl.“ (14/738)

1676: „Erstlich eine geringe Behaußung in Gelbinger Gassen, zwischen Hannß Jörg Grüenen, Taglöhner, und Michel Dierolff, Brunnenknechts, gültet ins Ambt uff der Schlicht jährlich 1 ß Vorgelt; die haben beede Brüder aestimirt, und auch der jüngere Hannß Thomas dieselbe allso, mit ein gedingten zihnin Gießfaß, 1 Tisch, 1 Lotterbettladen, 1 Schrannen, 1 Stuel, einer Musqueten, kaufflich angenommen...“ (14/1158)

1716 (Inventur des Johann Thomas Dürr): „Eine Behaußung in Gelbinger Gaßen, zwischen Hannß Leonhard Schwartzen, Schuhmachers, und Augustin Rögers, Grabenreuthers im Ambt Schlicht, Behaußungen gelegen, so in Löbl[iches] Ambt Schlicht jährlich mit 1 ß ewigen Vorgelts gültbar, laut pergamentin Kauffbrieffs de dato letzen Augusti Anno 1611, welche Behaußung bey Löbl[icher] Beethstuben pro 200 fl angeschlagen...“ (14/1865)

1717/19 (Verkauf an G. M.Franck): „Die vom respective Schwehr- u[nd] Vatter Thoma Dirren, Burger u[nd] Laistschneider, mit seinem Schwagern Jerg Melchior Francken, Burger undt Metzgern, ererbte Behaußung in Gelbinger Gassen, zwischen Augustin Röger, Grabenreiter, undt Balthas Auerhammer seel[igen] Wittib gelegen, in Löbl[iche] St. Catharein Pfleeg gültbar, mit all übriger Zugehör, Recht und Gerechtigkeit, auch Backoffen undt Waschkessel...“ (4/675, Bl. 157)

1791 (Verkauf an Johann David Wezel): „Ihre von dem Bürger und Büxenmacher Fellen vor Jahr u[nd] Tag erkauffte, in der Gelbinger Gaßen zwischen Seilermeister Hafen u[nd] Beysizer Balthes Rappold gelegene, im ganzen mit 19 ß jährl[ich] in Löbl[iche] Reich Allmosen Pfleeg mit Einschluß 3 ß vor ein Herbsthun gültbare halbe Behaußung, und zwar die Helfte gegen des Seiler Hafen Hauß im Durchschnitt von dem Dachfirst an biß auf den Grund nach dem Zoll ausgemeßen, so daß die dabey vorfallende Backofen halbteilig sein sollen, wobei zugl[eich]  Mitbesizer Fell zu  seinem lebenslängl[ichen] Gebrauch die Helfte des Kellers sich vorbehalten, nach seinem Tod aber Käuffer der gänzliche Besizer davon werden solle.“ (4/691, Bl. 323)

1827: PKN 334 - Wohnhaus mit 6,8 Ruten Grundfläche; PKN 334 1/2 - Wohnhaus mit 6,2 Ruten Grundfläche  in der Heilbronner Straße

Beschreibungen aus den Denkmallisten:

Das zweigeschossige, verputzte Fachwerkwohnhaus in Ecklage ist in die erste Hälfte des 18. Jh. datierbar. Auf das Vorhandensein ursprünglicher Bausubstanz weist das Erdgeschoss mit der originalen giebelseitigen Eingangstür hin, die drei knappen profilierten Vorstöße, zum Teil die originale Rahmung der Obergeschossfenster und schließlich auch das polygonale Schopfwalmdach für den ehem. Aufzug. Jüngere Veränderungen stören das Erscheinungsbild nicht wesentlich, sodass das Haus zu den guten Beispielen Haller Fachwerkarchitektur der Barockzeit gezählt werden kann. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, Stand 10/1982, S. 179)

Gelbinger Gasse 80, 80/1 (Flst.Nr. 0-612/11, 0-612/26). Zweigeschossiges, verputztes Fachwerk-Wohnhaus in Ecklage, erste Hälfte 18. Jahrhundert. § 2. (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Quellen

Literatur:

  • Gerd Wunder u. Georg Lenckner: Die Bürgerschaft der Reichsstadt Hall von 1395 - 1600 (Württembergische Geschichtsquellen; Bd. 25), Stuttgart 1956, Nr. 1635 (Georg Dhürr)

Archivalien:

  • StadtA Schwäb. Hall 4/653 (Hauskaufprotkolle 1575-1600), Bl. 29r (Verkauf an Michel Dürr)
  • StadtA Schwäb. Hall 4/655 (Hauskaufkontrakte und Jahrzieler 1586-1614), Bl. 101v (Verkauf an Georg Dürr)
  • StadtA Schwäb. Hall 4/675 (Kaufbuch 1713-1719), Bl. 157b (Verkauf an Georg Melchior Franck)
  • StadtA Schwäb. Hall 4/691 (Kaufbuch 1789-1791), Bl. 323 (Verkauf an Johann David Wezel)
  • StadtA Schwäb. Hall 4/1544 (Unterpfandsbuch Vorstädte 1717/18ff), Bl. 592
  • StadtA Schwäb. Hall 4/1901 - 4/1931 (Beetlisten 1623-1680)
  • StadtA Schwäb. Hall 14/738 (Inventur des Georg Dürr, Hutmacher, 1639)
  • StadtA Schwäb. Hall 14/1158 (Inventur des Joseph Dürr, Hutschnurmacher, 1676)
  • StadtA Schwäb. Hall 14/1865 (Inventur des Johann Thomas Dürr, Leistenschneider und Sattler, 1716)
  • StadtA Schwäb. Hall S27 (Genealog. Kartei)