Haller Häuserlexikon – Primärkataster-Nr.

Hafenmarkt 1 - Kreissparkasse, früher Haus Chur: Keltische Salzsiedeanlage unter einem jungen Haus

Adresse: Hafenmarkt 1
Primärkatasternummer: 211
Besitzer: 1827
Chur, Johann Friedrich, Kaufmann


Besitzerliste

1699: Nach dem Tod des Gottfried Hörner, Michaelspfleger und Ratsherr, ist das Haus aus seinem Nachlass zusammen mit einem Gras-, Baum- und Küchengarten am Kurzen Graben vor dem Kelkerstürlein seiner Witwe Anna Margaretha geb. Weller "allso  überlaßen worden."

 

1700: Anna Margaetha Hörner geb. Weller, die Witwe des Gottfried Hörner, bringt das Haus mit ihrem anderen Besitz in ihre am 6. Juli 1700 geschlossene Ehe mit Georg Heinrich Faust, Schultheiß in Künzelsau ein.

 

1710: Georg Heinrich Faust, kurfürstlich Mainzischer und hochfürstlich Würzburger Schultheiß zu Künzelsau, und seine Frau Anna Margaretha geb. Weller (zuvor Ehefrau des Gottfried Hörner), verkaufen laut einem am 7. Juli 1710 eingetragenen Vertrag ihr Haus am Schuhmarkt für 1.775 Gulden an Johann Jacob Hezel, des Inneren Rats und Bauherrn.

 

1728: Johann Jakob Hezel, mittlerweile Geheimer Rat, erwirbt für den Neubau seines beim "Großen Stadtbrand" vom 31. August 1728 zerstörten Wohnhauses einen Teil des benachbarten "Zickischen Brandplatzes" von dem Drechsler Friedrich Zick, der offenbar den Wiederaufbau seines abgebrannten Hauses nicht bezahlen kann; der andere Teil des Hausgrundstücks kauft der Rat. Dagegen muss Hezel offenbar einen Teil seines Grundstücks abtreten, zumindest aber das Fundament des Neubaus verändern. Das Haus wird demzufolge auf einem veränderten Grundriss neu erbaut.

 

1767: Nach dem Tod der Anna Katharina Hezel geb. Hartmann, der Witwe des Johann Jacob Hezel (22. Juni 1767) kommt das Haus aus dem Nachlass an den Oberlandesheiligenpfleger und Ratsherrn Jakob Peter Hartmann, den Ehemann der Miterbin Anna Elisabetha Hartmann geb. Bölz, einer Nichte der Verstorbenen.

1784: Jakob Peter Hartmann, mittlerweile Stättmeister, erwirbt den neben seinem Haus gelegenen Brandplatz mit den darunter liegenden Kellern laut einem am 3. Juni 1784 abgeschlossenen Kaufvertrag für 300 Gulden von Maria Margaretha Feyerabend geb. Wibel. Diese hat den offenbar als Garten genutzten Brandplatz 1739 von Handelsmann Johann Christoph Sandels Witwe erworben.

1790: Anna Elisabetha Hartmann geb. Bölz, Witwe des Stättmeisters Jakob Peter Hartmann verkauft das Haus mitsamt Garten und Orangerie zufolge eines am 22. Oktober abgeschlossenen Vertrags für 4.500 Gulden an ihren Sohn, den Ratskonsulenten Friedrich Franz Hartmann, unter Vorbehalt eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnsitzes in der Wohnstube, nebst  der hälftigen Stubenkammer, auch der unteren Küche und Speisekammer, zusammen mit der Holzlege und dem ehemaligen Obstkeller.

1809: "Herr Stabs-Amtmann Harttmann und dessen Gattin" verkaufen laut einem am 10. März 1809 eingetragenen Vertrag ihre Behausung mit Gärtchen und darunter befindlichem Keller für 5.500 Gulden an den Handelsmann Johann Friedrich Chur. Der überwiegende Teil der Kaufsumme wird durch die Übernahme von auf dem Haus haftenden Schulden beglichen.

 

1827: im Primärkataster als Besitzer genannt: Johann Friedrich Chur, Kaufmann

 

1831: Johann Friedrich Chur überträgt sein "Ellen Waaren Geschäft", dessen Wert auf 25.393 Gulden veranschlagt wird, durch einen am 1. September 1831 abgeschlossenen Vertrag an seinen Sohn Carl Chur, behält aber das Haus in seinem Besitz. Der Wert des Geschäfts wird auf 25.393 Gulden veranschlagt. Von dieser Summe werden 6.000 Gulden "Heiratsgut" für Carl Chur, 168 Gulden Hochzeitskosten der Schwester Caroline sowie die 225 Gulden umfassende Einlage des Teilhabers N. Herre abgezogen. Damit bleibt ein Kaufpreis von 19.000 Gulden. Für die Nutzung der Geschäftsräume zahlt Carl Chur jährlich 150 Gulden an seinen Vater.

1840: Das Haus geht nach dem Tod von Johann Friedrich Chur am 21. Dezember 1840 als Erbe an den Sohn Johann Friedrich Carl Chur.

 

1884: Nach dem Tod von Carl Chur am 12. Juli 1884 kauft der Sohn Adolf Chur "das vorhandene Wohnhaus Nr. 211 mit Garten und den dazu gehörigen Kübelpflanzen, Kellern und Hofraum" entsprechend der Bestimmungen des Testaments von 1880 für 20.000 Gulden (= 24.285,71 Mark) aus der elterlichen Erbmasse, wovon sein Erbteil abzuziehen und der Rest mit 5% pro Jahr verzinst werden muss. Als Datum des Besitzübergangs wird der 1. September 1884 festgelegt.

 

1900: Umgeschrieben in das Grundbuchheft Nr. 34.Adolf Chur ist weiterhin Besitzer des Hauses

 

In den Adressbüchern genannte Besitzer und Bewohner

 

1886: Adolf Chur, Kaufmann; Georg Ott, Kaufmann. Anschrift: "Hafenmarkt 211"

1890: Hausbesitzer: Adolf Chur, Kaufmann. Anschrift: "Hafenmarkt 211"
Mieter/Mitbewohner: Eduard Jeitter, K. Landesgefängnis-Direktor a.D.

 

1894: Hausbesitzer: Adolf Chur, Kaufmann. Anschrift: "Hafenmarkt 211"
Mieter/Mitbewohner: Eduard Jeitter, K. Landesgefängnis-Direktor a.D.

 

1901: Hausbesitzer: Adolf Chur, Kaufmann: Inhaber der Firma Johann Friedrich Chur. Anschrift: "Oberer Postplatz 1"
Mieter/Mitbewohner: Carl Burk, Landrichter; Hermann Kaufmann, Buchhalter; Hieronimus Mechler, Commis; Marie Schwarz Kaufmanns Witwe

 

1906: Hausbesitzer: Adolf Chur, Kaufmann. Anschrift: "Oberer Postplatz 1"
Mieter/Mitbewohner: Marie Beck, Privatiere

 

1920: Hausbesitzer: Marie Chur, Kaufm.-Witwe. Anschrift: "Oberer Postplatz 1"
Mieter/Mitbewohner: Emil Chur, Kaufmann; Marie Schwarz, Hauptlehrerin

 

1928: Hausbesitzer: Emil Chur, Kaufmann (in Firma Joh. Friedr. Chur, Manufaktur- und Modewarenhaus). Anschrift: "Oberer Postplatz (Hafenmarkt) 1"
Mieter/Mitbewohner: Marie Schwarz, Oberreallehrerin; Eduard Kümmerlen, Agenturen, Eingang Unterer Postplatz

 

1932: Hausbesitzer: Emil Chur, Kaufmann (in Firma Joh. Friedr. Chur, Manufaktur- und Modewarenhaus). Anschrift: "Oberer Postplatz (Hafenmarkt) 1"
Mieter/Mitbewohner: Marie Schwarz, Oberreallehrerin a.D.; Lina Horstmann, Dipl.-Ing.-Witwe

 

1938: Kreissparkasse (im Bau), zurzeit noch Bahnhofstr. 27. Anschrift: "Hafenmarkt 1" 

Haustafel

Bei Gründungsarbeiten für den Neubau der Sparkasse auf einem unbebauten Grundstück stießen die Fachleute 1939 auf keltische Salinenreste. Ein damals geborgener Holztrog wurde ins Hällisch-Fränkische Museum gebracht. Sein Holz konnte exakt auf das Jahr 280 v. Chr. datiert werden. Die keltische Produktionsstätte wurde vermutlich bei einem Hangrutsch im frühen Mittelalter verschüttet.

Befunde aus Bauakten

Anm.: Bauakten vor 1937 nicht mehr vorhanden

 

1728: In einer Sitzung am 28. Oktober 1728 bewilligt der Geheime Rat seinem Mitglied Hezel den Bezug von Bauholz "zu Wiederauferbauung seines Brandt-Platzes" den Bezug von Bauholz aus den Ämtern Rosengarten und Vellberg (4/450, S. 602).

 

Der Geheime Hezel trägt im Rat am 16. März 1729 vor, dass sein Haus vorher vier Stockwerke gehabt habe, der Neubau nunmehr drei mit Geschosshöhen von 13 Schuh (ca. 3,70 m), 12 Schuh (ca. 3,40 m) und 11 Schuh (ca. 3,10 m). Damit werde die vorgeschriebene Maximalhöhe um 3 Schuh (ca. 0,8 m) überschritten, wofür er um Genehmigung bitte. Der Rat erteilt diese Bewilligung (4/338, Bl. 100r).

 

Am 9. April fragt Hezel bei der Brandplatzdeputation nach, ob es bei einer geplanten Treppe neben seinem Hausgrundstück zur früheren Kanzlei hin bleibe; in diesem "Winckhel" habe er sein "Secret" (Toilette), mithin müsse eine Veränderung geschehen mit großen Kosten, "bitte also um Resolution, werde sonsten am Bauen gehindert"(4/684, S. 68).

 

Vermutlich wegen des Baus dieser Treppe muss Hezel einen Abschnitt seines Grundstücks und des dazugekauften Zickischen Brandplatzes abgeben und offensichtlich auch einen Teil des Hausfundaments neu legen. Im Dezember 1729 erhält der Geheime Hezel, weil er "mit dem Fundament wegen des Abschnitts hinein weichen müßen", eine Entschädigung von 37 fl 10 x. Grundlage der Berechnung sind Material- und Arbeitskosten für die Errichtung einer 16 bis 17 Schuh (= 4,5-4,8 m) tiefe Fundamentmauer sowie elf Eichenholzpfähle (4/3686, S. 40).

Beschreibungen

historische Beschreibungen

 

1699 (Inventur G. Hörner): "Eine Behaußung auff dem Schuhmarckt, zwischen der löbl. Cantzley undt Hannß Wolff Wolzen Trechßlers Behaußung gelegen, so güllt frey, angeschlagen vor 1500 fl."

 

1710: (Verkauf an J. J. Hezel): "Ihre biß dahero ruhig und aigenthumblich innegehabte Wohnbehauß[ung] allhier zue Schwäb. Hall  zwischen der Canzley und Friderich Pfizen Drexlern uf dem so genannten Schuchmarckh gelegen, so gülltfrey, auch außer hienach bemelltem Capital sonsten frey, unversezt, und ohnverpfändet, aigen, mit allen Zugehördten, Gerechtigkeiten, wie sie beede Eheleuth solche Wohnung selbsten auch justo titulo an sich gebracht biß daher beseßen und genoßen, nebst denen in dießem Kauff mit eingedingten Faß, Ligerling im Keller und dem Grottenwerckh auch vorhandtenen Hirsch Geweyhen..."

 

1717/18 (Unterpfandsbuch): "beym Rathauß. Eine Behaußung nebst 1 Garten und darunter befindl. 2 Kellern. angeschlagen für 1500 fl. Erkaufft a 1900 fl. Gültfrey. [100 fl] Zur löbl. Michaels-Pfleeg Cap. a 4 p. cento term. Pet. Cath. zinßbar, de ao. 1605."

 

1767 (Inventur der A.C. Hezel): "Eine Behaußung nebst einem Gärtle am Schumarck, an dem Feyerabendischen Haußplaz gelegen. Liegt in der Beeth pro 1250 fl."

 

1790 (Verkauf an Friedrich Franz Hartmann): "Ihre bisher mit Ihrem Wohlseel. EheHerrn eigenthumlich beseßene gültfreie Behaußung, mit denen Kellern, nebst dem daran befindlichen Lust- und Küchengartten, zusamt der darzu gehörigen Orangerie und Geräthschafft, auch denen unter diesem Gartten befindlichen zwey Kellern und Gewölben, samt übrigen Rechten und Gerechtigkeiten."

1809 (Verkauf an J. F. Chur): "Eine ganze Behausung mit Gärtchen und darunter befindlichen Kellern hinter dem Rathauß"

 

1827: Wohnhaus mit 29,9 Ruten und Hof mit 5,1 Ruten, insgesamt 35 Ruten auf dem Hafen Markt

ca. 1840 (Güterbuch 3): "Gebäude 29,9 Rthn VIIII 211. Ein drei- resp. vierstokigtes Wohnhaus auf dem Hafenmarkt, ganz freistehend mit gewölbtem Keller u. steinernem Fuß. Das Kloak hat ein unter die Straße gegen das Cameralamts-Gebäude gehendes Gewölbe. B.v.a. 8.000 fl."

 

1884 (Realteilung C. Chur):
"2 ar 45 qm VIII 211. Ein vierstockiges Wohnhaus am Hafenmarkt mit gewölbtem Keller.
- 42 qm VIII 211. Hofraum vor dem Haus
[=] 2 ar 87 qm. hiezu:
3 ar 58 qm VIII 96. Blumen- und Gemüsegarten neben dem Haus mit einer hohen Mauer und gewölbten Kellern. Diese Liegenschaft wurde von dem Sohn Adolf Chur nach dem Testament [Schr.] /9. um den Preis von 20.000 fl übernommen, welcher Betrag unter Forderungen einkommt, daher hier aufzunehmen ist: - 0-"

 

Einträge aus der Denkmalliste

 

Das Gebäude der Kreissparkasse wurde ab 1937 nach Entwürfen des Architekten Eduard Krüger errichtet, der auch durch seine Publikationen über die Baugeschichte Schwäb. Halls bekannt geworden ist. Das Grundstück war zuvor nach dem Abbruch von zwei Häusern als Garten angelegt. Die Disposition des zweiflügeligen Baukörpers mit hohen Walmdächern ist aus der besonderen städtebaulichen Lage des Grundstückes entwickelt: durch den Hauptflügel wurde der Platz auf der Westseite wieder geschlossen; ein kurzer Quertrakt grenzt den Hafenmarkt zur Haalgasse ab; an der Südseite ist der Bau durch ein Ecktürmchen auf den Platz Steinerner Steg orientiert. Das Sparkassengebäude, ein Putzbau mit Eckquaderungen, Fensterrahmungen und Pfeilern aus Werkstein, ist ein exemplarischer Beleg für die Formensprache des sog. Heimatstils, der in den dreißiger Jahren besonders gepflegt wurde. Die zweigeschossige Fassade an der Haalgasse nimmt mit ihrer unregelmäßigen, sorgsam abgewogenen Fensteranordnung Bezug auf die historischen Bürgerhäuser in der Nachbarschaft. An der viergeschossigen Fassade zur Straße Hinter der Post - heute 'Sparkassenplatz' - kommt durch die großen Fenster der Kassenhalle die Funktion des Gebäudes deutlicher zum Ausdruck; bewusste Unregelmäßigkeiten in der Fenstergruppierung nehmen auch hier, nach Aussage des Architekten, "die lebendige Gestaltung der alten Hauswände" in der Umgebung auf. Die Detailbildung (z.B. holzverkleidete Quertonnen der Arkadenhalle, figürliche Bauplastig von dem Bildhauer Erwin Dauner aus Ludwigsburg, schmiedeeiserne Fenstergitter) knüpft an alte Handwerkstradition an, ohne historische Formen kopiehaft zu wiederholen. Der Brunnen neben der Freitreppe am Hafenmarkt ist Bestandteil des gestalterischen Gesamtkonzeptes (Pfeiler aus der Zeit um 1800, Brunnentrog ergänzt). (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, Stand 10/1982, S. 213)

 

Hafenmarkt 1 (Flst.Nr. 0-17/6). Kreissparkasse, 1937 erbaut. Putzbau mit Eckquaderungen, Fensterrahmung, Pfeilern aus Werkstein. Zweiflügeliger Baukörper mit hohen Walmdächern, Ecktürmchen, rundbogige Arkaden im Erdgeschoss. Dreigeschossige Fassade an der Haalgasse. Brunnen neben der Freitreppe am Hafenmarkt Bestandteil des gestalterischen Gesamtkonzeptes (Pfeiler aus der Zeit um 1800). § 2. (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Besonderheiten

Die keltische Saline

 

Schwäbisch Hall ist der einzige Ort in Süddeutschland, in dem eine keltische Salzgewinnungsanlage durch archäologische Funde eindeutig nachgewiesen ist. Die Gelegenheit hierzu ergab sich 1939 durch den von Dr. Eduard Krüger entworfenen Neubau eines Zentralgebäudes der Kreissparkasse am Standort des barocken „Hauses Chur“, für den teilweise tiefe Bodeneingriffe notwendig waren.

Unter Resten des „Hauses Chur“ und mittelalterlicher Vorgängerbauten beobachteten und bargen der Lehrer und Archäologe Dr. Emil Kost und der Stadtarchivar Wilhelm Hommel zahlreiche Funde, die auf eine lang anhaltende keltische Besiedlung deuteten. Sie reichte mindestens von etwa 500 bis 200 v. Chr., eventuell auch bis zum Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr.. Neben zahlreichen verschiedenartigen Gefäßscherben fand man auch organische Reste (z.B. Obstkerne), Werkzeuge und Schmuck. Am südwestlichen Rand der Baugrube entdeckten Arbeiter unmittelbar unter mittelalterlichen Mauerresten einen Holztrog, den man zunächst für einen „Einbaum“ (ein aus einem einzelnen Baumstamm gefertigtes Boot) hielt.

Bei einer anschließend durch das württembergische Landesamt für Denkmalpflege durchgeführten archäologischen Plangrabung in einem kleinen Bereich am Rand der Baugrube konnten in einer Tiefe von rund 5 m unter dem heutigen Bodenniveau sechs weitere Holztröge freigelegt werden, die offensichtlich zu einer keltischen Salzgewinnungsanlage gehörten. Die Holzfunde waren aufgrund der Lagerung in feuchtem Lehmboden hervorragend erhalten. In einem Teilbereich konnte man die Grabung unter den Platz „Hinter der Post“ (heute Sparkassenplatz) ausdehnen. Hier fanden sich u.a. ein gut erhaltener Soletrog mit aufgesetzten Brettern und einer Abdeckung, eine zu diesem führende Rinne aus einem ausgehöhlten Holzstamm, Bodenbretter und zwei Lehmwannen, von denen eine genauer untersucht werden konnte. Sie war mit einem Kranz aus Flechtwerk und Pfosten umgeben und enthielt an der tiefsten Stelle in der Mitte ein aus Rundhölzern aufgesetztes Rechteck.

Gegen verschiedene andere Interpretationen hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass es sich hierbei um einen Solebrunnen handelte, der in den unter der Lehmschicht verlaufenden und das salzhaltige Grundwasser führenden Kiessand reichte. Die Holztröge wurden einhellig als Becken zur Lagerung der aus den Brunnen geschöpften Sole (= salzhaltiges Grundwasser) interpretiert. Diese Tröge bestanden aus ausgehöhlten Holzstämmen („Einbäumen“), deren Fassungsvermögen durch das Aufsetzen von Brettern vergrößert wurde. In einem Fall (Soletrog 4) könnte die Wanne zuvor tatsächlich als Boot genutzt worden sein. In den Soletrögen liegende Ziegelbrocken deuten an, dass möglicherweise bereits die Kelten die vom Mittelalter bis in das 18. Jahrhundert betriebene „Gewöhrdgradierung“ betrieben haben. Hierbei hat man durch das Einlegen salzverkrusteter Gegenstände die Konzentration der Sole erhöht und das Auskristallisieren des Salzes beschleunigt.

Das eigentliche Sieden des Salzes fand offenbar mit Hilfe sogenannter Briquetagen statt. Hierbei handelte es sich um becherförmige Tontiegel, die auf Tonsäulchen gesetzt wurden. Durch darunter brennende Feuer wurde die in die Tiegel gefüllte Sole erhitzt, bis das Wasser verdampfte und Salz zurückblieb. Nach Gebrauch wurden sie wohl meist zerschlagen bzw. für die oben beschriebene Gewöhrdgradierung genutzt. Fragmente fanden sich in großer Anzahl und wurden zunächst für Überbleibsel von Erzschmelzöfen gehalten. Die Tontiegel dienten möglicherweise auch als Transportbehälter, wie Funde auf der Stöckenburg bei Vellberg zeigen. Da ein Soletrog im Hällisch-Fränkischen Museum dendrochronologisch auf 280 v. Chr. datiert werden kann, dürfte die ergrabene Salinenanlage im späten 3. Jahrhundert v. Chr. angelegt worden sein. Ihr Ende ist nicht genau fassbar und wird auf den Zeitraum zwischen 200 v. Chr. und um das Jahr 0 angesetzt. Auch die Gründe für das Ende der keltischen Salzproduktion sind nicht bekannt. Eine Verschüttung der Saline durch einen Erdrutsch wurde ebenso vermutet wie eine Stilllegung wegen der Konkurrenz durch den Handel mit Meersalz aus dem römischen Mittelmeerraum.

Ein Teil der Funde von 1939 wurde während des Zweiten Weltkriegs in Stuttgart zerstört, die damals in die Sammlungen des Historischen Vereins für Württembergisch Franken übernommenen Stücke können im Hällisch-Fränkischen Museum besichtigt werden. Keltische Fundschichten u.a. mit Gefäßscherben und Briquetagenresten kamen auch 1951 beim Bau der Landeszentralbank (Neue Straße 7, heute Stadtbibliothek) zum Vorschein. Bohrungen der 1990er Jahre zufolge umfasst der keltische Siedlungsbereich etwa 1 bis 1,5 ha und liegt zwischen Neuer Straße, Hafenmarkt, Haalstraße und Schwatzbühlgasse. Genaueres dürfte sich nur durch weitere archäologische Grabungen herausfinden lassen.
(Text v.a. nach Simon: Salzgewinnung)
 

Der Delphinbrunnen

 

Der neben der Treppe zur Kreissparkasse stehende Delphin-Brunnen wurde 1941 gebaut. Der Brunnenstock mit dem Delphinaufsatz stammt von ca. 1780 und befand sich zuvor in den Ackeranlagen, wo er wohl nach dem Abriss des alten Brunnens aufgestellt wurde (nach Eduard Krüger).

 

Biografien von Besitzern und Bewohnern des Hauses
(Quellen s. unten)

 

Gottfried Hörner (1643-1699)

 

Der spätere "Wol Edel, Vest, Fürsichtig u[nd] wolweise Herr" Gottfried Hörner wurde am 15. Dezember 1643, in der Endphase des Dreißigjährigen Kriegs, in Adolzfurt geboren. Sein Vater Tobias Gottfried Hörner war dort Amtsvogt und Forstmeister der Grafen von Hohenlohe-Waldenburg-Pfedelbach, seine Mutter Martha war eine geborene Zinn, vermutlich eine Tochter des hohenlohischen Leibarzts Dr. Johann Conrad Zinn in Öhringen. Gottfried Hörner wurde durch "Praeceptores domesticis" unterrichtet, bis er 1652 im Alter von neun Jahren von seinem durchreisenden Verwandten Georg Friedrich Seifferheld nach Schwäbisch Hall mitgenommen wurde. Seifferheld war damals Ratsherr und wurde später als "Großer Stättmeister" eine beherrschende Figur der Reichsstadt im späteren 17. Jahrhundert. Seine erste Frau Praxedis geb. Zinn war (vermutlich) einer Tante Gottfried Hörners. Mit Unterstützung Seifferhelds besuchte dieser drei Jahre lang das Gymnasium und erlernte dann bei seinem Vater, der mittlerweile Vogt in Kocherstetten war, das Schreiberhandwerk. Die auf die Ausbildung folgenden, üblichen Reisen führten ihn unter anderem in die Dienste des kurpfälzischen Hofgerichtspräsidenten Baron von Hohenfeld, eines Herrn von Helmstatt in Klingenmünster bei Landau und 1660 zu einem anderen Adeligen dieses Geschlechts in Lothringen. Es folgte ein vierjähriger Aufenthalt in Frankreich, die er als Kammerdiener eines französischen Adeligen in Paris und Lyon zubrachte.
Nach seiner Rückkehr nach Schwäbisch Hall heiratete er am 29. Januar 1667 Agathe Magdalene von Bürgel geb. Ines (*23. Oktober 1639), die 27 Jahre alte Witwe des Helmwirts Peter von Bürgel, eine Tochter des Johann Jakob Ines, ebenfalls Helmwirt. Ihren aus den Niederlanden stammenden ersten Mann hatte sie 1660 geheiratet. Er war nach einer kinderlosen Ehe 1666 gestorben. Von den in 20 Ehejahren geborenen vier Kindern erreichte lediglich die Tochter Agathe Clara (*1669) das Erwachsenenalter. Agathe Magdalene Hörner starb am 28. April 1684 an einem "starcken Husten", von dem sie "kranck und bettlägerig" geworden war. Knapp zwei Jahre später, am 7. Februar 1690, heiratete Gottfried Hörner in zweiter Ehe Anna Margaretha Weller, eine Tochter des Rosenwirts Leonhard Weller, mit der er aber keine weiteren Kinder bekam.
Seine Karriere in der reichsstädtischen Verwaltung begann 1670 mit der Berufung in das Hospitalgericht. 1676 wurde er Mitglied des Äußeren Rats, zwei Jahre später bereits des Inneren Rats. Aus dieser Position ergaben sich weitere Ämter, so 1680 das des Amtmanns zu Ilshofen, des Hospitalpflegers (1691), des Pfleger zu St. Michael und des Gymnasiums sowie des Haals sowie Hauptmannschaften über die Zünfte der Gerber und Seiler. Allerdings wurde er "bey vielen Jahren mit der leidigen Gliedersucht hart heimgesucht", einem Leiden, das zu Lähmungserscheinungen und schließlich zu kompletter Bewegungsunfähigkeit führte. Er ist "endlich so baufällig, u. an allen Gliedmassen so untüchtig worden, daß er sich nirgends keinen Behueff mehr geben konnte, sondern nur in 25 Wochen her von einem Ort zum andern muste gewendet u. gehebt werden." An diesem Leiden verstarb Gottfried Hörner am 8. Juli 1699 im Alter von 55 Jahren. Zu seinen in der Inventur aufgelisteten Besitzungen gehörten das Haus "auff dem Schuhmarckt", ein Garten vor dem Kelkerstor, verliehene Kapitalien von ingesamt 1.735 Gulden, weitere "Activa" von 1.427 Gulden, ein großer Bargeldbestand von insgesamt 706 Gulden sowie "Silberwerck", und Wein, aber auch zwei "hier in der Statt" gehaltene Kühe. Dem Gesamtwert des Nachlasses von 9.219 Gulden standen Schulden von 5452 Gulden gegenüber, unter denen sich allerdings auch Legate an die Hausmägde, Stiftungen, das Beibringen der Witwe mit 800 Gulden sowie Arzt- und Apothekerkosten finden. Anna Margaretha Weller schloss ein Jahr nach dem Tod ihes Mannes eine zweite Ehe mit dem Künzelsauer Schultheiß Georg Heinrich Faust. Daten zu ihrem weiteren Leben sind nicht bekannt und müssten aus Künzelsauer Quellen hervorgehen. 

 

Johann Jacob Hezel (1667-1732)

 

Johann Jacob Hezel wurde am 6. Oktober 1667 als Sohn des Johann Christoph Hezel, damals Hohenlohe-Neuensteinischer "Cassa-Verwalter", und der Maria Margaretha geb. Müller vermutlich in Neuenstein geboren. Aufgewachsen sein dürfte er in Vellberg, wo sein Vater viele Jahre als Amtsvogt wirkte. Er besuchte vier Klassen des Gymnasiums, erhielt offenbar von den Pfarrern Hauck und Wibel in Untersontheim Unterricht und absolvierte bei seinem Vater eine Schreiberlehre. 1688 und 1689 besuchte er als "Scribent" (Schreiber) die Kreistage in Ulm und hielt sich in Augsburg auf, "allwo er bei der Römischen Königs-Wahl u. Crönung viel zu sehen bekam" (Gemeint ist die Könung Josephs I. 1690). Nach einigen Jahren als Substitut (Hilfsschreiber) in Brackenheim erhielt er 1696 in Schwäbisch Hall eine Stelle als Landrenovator. 1698 rückte er zum Renovator auf und wurde 1707 in den Inneren Rat berufen. Zu den zahlreichen Ämtern, die er zusätzlich bekleidete, gehörten die Hauptmannschaften verschiedener Zünfte sowie das eines Schützen- und Feuerhauptmanns. 1712 wurde er Amtmann über das Kocheneck und 1726 beriefen ihn seine Kollegen in den Geheimen Rat. In all diesen Positionen erwies er sich - so der Nekrolog - als "patriotisch, vigilant und redlich, gegen die Bürger dienstfertig mit Rat und Tat." Am 10. Mai 1698 hatte er im Alter von 30 Jahren Anna Catharina Bölz (*7. Februar 1680) geheiratet, die 18 Jahre alte Tochter des Andreas Bölz, Bäcker und Mitglied des Äußeren Rats. Das Paar lebte in "vergnügter Ehe", hatte aber keine Kinder. Als besondere Heimsuchung nennt der Nekrolog die "schreckliche Feuersbrunst" von 1728. Das Haus des Ehepaars hinter dem Rathaus wurde zerstört und musste wieder aufgebaut werden, obwohl Hezel, wie er im Geheimen Rat sagte, hätte "wünschen mögen, bey schon obhabenden Jahren des Bauens entübrigt zu seyn." Das nun errichtete freistehende Haus mit einem großen Garten, dessen Grundfläche durch den Ankauf von Nachbargrundstücken erweitert wurde, deutet auf ein bereits damals nicht unerhebliches Vermögen. Hezel starb recht unvermittelt am 23. April 1732 im Alter von 65 Jahren im Kreise seiner Familie und vieler Freunde, vermutlich an den Folgen eines Schlaganfalls. Seine Witwe, die als fromme Christin und regelmäßige Kirchgängerin bis ins hohe Alter gerühmt wird - außerdem habe sie "Lust an Lesung erbaulicher und geistreicher Bücher" gehabt - überlebte ihn um 35 Jahre und starb am 22. Juni 1767 im hohen Alter von 87 Jahren. Zuvor hatten ihre "Leibs- und Gemütskräfte" erheblich nachgelassen und sie hatte begonnen, stark an Altersschwäche zu leiden. Ihr Vermögen, das vor allem verschiedenen Nichten und Neffen zugute kam, war erheblich und umfasste neben dem Haus u.a. Herrengülten in Kleinaltdorf, Haagen und Gaisdorf, Erb- und Eigentumsieden, zahlreiche verliehene Gelder, die sich allein auf über 11.200 Gulden beliefen, ein Bargeldvermögen von über 1.300 Gulden, Schmuck und "Silberwerck", sowie erhebliche Weinvorräte. Der gesamte Wert wurde auf 19.628 Gulden geschätzt. 

 

Dr. Jakob Peter Hartmann (1722-1790)

 

Jacob Peter Hartmann wurde am 13.  Dezember 1722 als Sohn des Stadtschreibers und Ratskommissarius Friedrich Christoph Hartmann und dessen zweiter Ehefrau Clara Magdalena geb. Stigler in Schwäbisch Hall geboren. Er besucht zunächst die deutsche Schule, dann das Gymnasium, wo er in allen Klassen die "praemia diligentii" erhielt. 1739 nahm er ein Studium der Rechte an der Universität Jena auf. Später wechselte er nach Tübingen, wo er auch 1745 promovierte. "Mit Ruhm und Ehre geschmückt" - so der Nekrolog - kehrte er in seine Vaterstadt zurück, wo ihm der Rat 1746 die Stelle eines Ratsadvokaten und bald darauf die eines Ratskonsulenten verlieh. 1753 wurde er in den Inneren Rat gewählt, übte 1783 das Amt eines Stättmeister-Amtsverwesers aus und rückte schließlich 1790 regulär in die höchste Position der reichsstädtischen Verwaltung auf. Am 11. Oktober 1746 hatte er im Alter von 23 Jahren die fast acht Jahre ältere Anna Elisabetha Seifferheld geb. Bölz (*3. September 1714) geheiratet, eine Tochter des Ratsherren Johann David Bölz und der Maria Magdalena geb. Schragmüller. Anna Elisabetha war bereits zweifache Witwe. Ihre erste Ehe mit dem Ratsadvokaten Christian Heinrich Dötschmann (*1710) war sie 1739 eingegangen, Nach nicht einmal zwei Jahren war ihr Mann, der an Blutstürzen (Blutungen) und "Hectic" (Schwindsucht) gelitten hatte, am 13. Juni 1741 gestorben. Auch der einzige Sohn aus dieser Verbindung überlebte nicht. Noch kürzer dauerte die zweite Ehe mit Steuerregistrator Friedrich Peter Seifferheld (*1713). Die Hochzeit fand am 9. Oktober 1742 statt, der Tod des Ehemanns - vermutlich an einem Asthmaanfall - folgte am 23. April 1743. Der Sohn Carl Friedrich war bei seiner Geburt Halbwaise. Dauerhafter war nun Anna Elisabethas dritte Ehe. Die drei Kinder des Paares, Catharina Albertina (*1747), Maria Magdalena (*1750) und Friedrich Franz (*1756) erreichten alle das Erwachsenenalter. Etwa 1787 begann Jakob Peter Hartmann, unter einer geschwächten Gesundheit zu leiden, denn "durch seine rastlose Thätigkeit wurden seine Nerven nach und nach geschwächt." Zuletzt - so der Nekrolog - "wurde eine gänzliche Entkräftung immer sichtbarer, und daran gab er auch seinen Geist auf." Er starb um den 5. September 1790 im Alter von 67 Jahren- in seiner Eloge auf den Toten vergaß der Pfarrer, das genaue Datum anzugeben - und wurde am 7. September bestattet. Anna Elisabetha Dötschmann erreichte trotz "so vielen Creuzes-Prüfungen und überstandenen harten Kranckheiten" ein hohes Alter und erlebte die Geburt von 28 Enkeln und vier Urenkeln. Sie starb am 12. Juli 1797 im Alter von 82 Jahren an Entkräftung. Wie die Inventur zeigt, hatte ihr Sohn Friedrich Franz zuletzt die "Führung der Oeconomie" übernommen. Das Vermögen der Witwe wurde in dieser Inventur auf 5.210 Gulden berechnet. Das Haus wird hier nicht mehr erwähnt, muss vermutlich also bereits nach dem Tod des Vaters (von dem ein Testament oder eine Inventur nicht erhalten ist) an Friedrich Franz Hartmann gekommen sein. Carl Friedrich Seifferheld, der Sohn aus der zweiten Ehe, war bereits 1793 mit 1.600 Gulden ausgezahlt worden.

 

Friedrich Franz Hartmann (1756-1833)

 

Friedrich Franz Hartmann wurde am 15. Jabnuar 1756 in Schwäbisch Hall als Sohn von Jakob Peter Hartmann und Anna Elisabetha geb. Bölz geboren. Mangels der ausführlichen Nekrologe der Reichsstadtzeit ist über sein Leben weniger bekannt als über das seiner Eltern. Wie sein Vater dürfte er Jura studiert haben. In Hall wirkte er als württembergischer Stabsamtmann und Advokat. Aus seiner 1780 mit Marie Margarethe Hezel geschlossenen Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen allerdings nur die zweitälteste Tochter Friederike Louise (*1785) das Erwachsenenalter erreichte. Ein Sohn wurde tot geboren, drei Mädchen starben als Säuglinge und Kleinkinder. Friedrich Franz Hartmann, der sein Elternhaus 1809 an Johann Friedrich Chur verkauft hatte, starb am 9. Juni 1833 in Schwäbisch Hall.

 

Johann Friedrich Chur (1775-1840)

 

Johann Friedrich Chur wurde am 14. Juni 1775 in Schwäbisch Hall als Sohn des Handelsmanns Johann Michael Chur und der Rosina Catharina geb. Kern geboren. Er machte wie sein Vater eine Kaufmannslehre, zu der jedoch kaum Angaben vorhanden sind. Am 3. November 1801 heiratete er im Alter von 26 Jahren die sechs Jahre ältere Susanna Elisabetha Bölz (*7. März 1769), eine Tochter des Kaufmanns Friedrich Jacob Bölz und der Maria Magdalena geb. Bölz. Mit der Eheschließung scheint Chur auch in die Textilhandlung seines Schwiegervaters eingetreten zu sein. Zwei 1801 beginnende Kopierbücher, in die Geschäftskorrespondenz eingetragen wurde, geben Aufschluss über Churs Geschäftsverbindungen. Ihr Schwerpunkt lag zwar in Süddeutschland, sie reichten aber über ganz Deutschland. Geldgeschäfte wickelte Chur u.a. über das bekannte Frankfurter Bankhaus Gontard ab. Trotz der dramatischen Umbrüche und Verwerfungen seiner Zeit durch die Napoleonischen Kriege und das Ende des Alten Reichs wirtschaftete Chur sehr erfolgreich und scheint ein großes Vermögen erworben zu haben. 1832 übernahm er die im Jahr zuvor gegründete "Leinen-Spinnerei-Gesellschaft" und entwickelte daraus unter dem Namen "J. F. Chur & Söhne" einen nun auf die Verarbeitung von Baumwolle spezialisierten, erfolgreichen Industriebetrieb, den ersten seiner Art in Schwäbisch Hall. Bereits 1834 besaß die Firma (später Held & Teufel) gesponnene Baumwolle im Wert von 5.000 Gulden, Rohbaumwolle im Wert von 12.000 Gulden und Maschinen und Gerätschaften im Wert von 36.000 Gulden. Die von J. F. Chur gegründete Textilhandlung wurde beim Übergang auf den Sohn Carl 1831 auf 25.393 Gulden taxiert und bestand bis in das 20. Jahrhundert. Das Ehepaar hatte vier Kinder, die Töchter Catharina Carolina (*1802) und Susanna Rosina (*1809) sowie die Söhne Johann Friedrich Carl (*1804) und Friedrich Peter (*1808). Susanna Elisabetha Chur starb am 23. August 1828 im Alter von 59 Jahren. Johann Friedrich Chur erreichte ein Alter von 65 Jahren und starb am 21. Dezember 1840. Gegenüber seinen Mitbürgern hatte er eine nicht unkritische Haltung, wie ein Brief an den Gewerbeverein von 1839 zeigt. Darin unterstellte er den Hallern eine Neigung  zum "behaglichen Leben"; es habe sich hier ein "gewisses Phlegma, ein Schlendrian, ein sorgloses Dahinleben und unter der geringeren Klasse eine eigentliche Arbeitsscheu erhalten." Grund hierfür sei das aus den Siedensrenten resultierende Zusatzeinkommen vieler Haushalte und die zusätzliche Absicherung über das Hospital.

 

Carl Chur (1804-1884)

 

Johann Friedrich Carl Chur wurde am 28. Juli 1804 in Schwäbisch Hall als Sohn von Johann Friedrich Chur und dessen Frau Johanna Elisabetha geb. Bölz geboren. Eine Station seine Lehrzeit als Kaufmann war Frankfurt, wo er im Geschäft des Kaufmanns T. Seelig von April 1824 bis Juli 1825 als "Volontaire" tätig war. 1829 mache er eine größere Reise durch Europa, die ihn in die Schweiz, die Niederlande, nach Großbritannien und nach Frankreich führte. Es handelte sich wohl um eine Bildungsreise, die aber auch der Anknüpfung von Geschäftskontakten diente. Anlaufstationen waren u.a. Geschäfte in Basel, Zürich, Bern, Schaffhausen, Köln, Rotterdam, Amsterdam und London, mit denen Carls Schwager, der Kaufmann Johann Heinrich Leicht in Cannstatt, in Kontakt stand. 1831 hielt er sich in Frankfurt auf, von wo aus er nach Hause zurückkehrte und das offenbar florierende Textilgeschäft des Vaters übernahm. Auch in der Folge war Carl Chur oft unterwegs. Die Einträge eines 1837 ausgestellten Reisepasses verweisen auf zahlreiche Geschäftsreisen, die nach Frankfurt, aber z.B. auch nach Neu-Ulm, München, Koblenz, Augsburg, Amsterdam oder Köln führten. 1851 ist eine Reise nach London und Manchester belegt. Den Meisterbrief als Kaufmann erhielt Carl Chur am 10. Juli 1831. Kurz zuvor, am 31. Mai 1831, hatte er in Riedbach im Alter von 26 Jahren die vier Jahre jüngere Friederika Ziegler (*8. August 1808) geheiratet, eine Tochter des Johann Conrad Friedrich Ziegler, Posthalter in Riedbach. Das Paar hatte fünf Kinder, von denen die drei Mädchen Pauline (*1832), Mathilde (*1835) und Marie (*1836) das Erwachsenenalter erreichten, während Friedrich Carl (*1833) und Friederike Charlotte (*1838) als Säuglinge starben. Friederika Chur überlebte den Tod ihres jüngsten Kindes nur einen knappen Monat und starb  am 9. Oktober 1838 im Alter von nur 30 Jahren an Kindbettfieber - die bei ihrer Beerdigung gehaltene Predigt des Pfarrers Karl Stockmayer schildert eindrücklich, was für ein "großer, schmerzlicher Verlust" dieser Tod war, dem das Sterben der Schwester Susanna Rosina und des "holden Kindes" vorausging.
Nach einem Jahr als Witwer ehelichte Carl Chur am 22. Oktober 1839 in Blaubeuren als 35jähriger die elf Jahre jüngere Wilhelmine Friederike Mathilde Teichmann (*31. Oktober 1815), Tocher des 1829 verstorbenen Joachim Ludwig Friedrich Teichmann, kgl. Kameralverwalter in Blaubeuren.Eine Familienüberlieferung berichtet, Carl Chur habe die damals 20jährige bereits im Sommer 1835 bei einer Geschäftsreise auf einer Postkutschenfahrt kennen gelernt und hätte seiner ersten Frau von diesem "netten jungen Mädchen" erzählt. Diese habe daraufhin vorgeschlagen, dem eben geborenen Kind des Paares den Namen "Mathilde" zu geben. Der teilweise erhaltene Briefwechsel des Ehepaares weist auf eine tiefe gegenseitige Zuneigung. Carl und Mathilde Chur bekamen vier weitere Kinder, Karl (*1840), Karoline (*1841), Adolf (*1843) und Emil (*1844). Bei der eigentlich ohne Komplikationen verlaufenen Geburt ihres jüngsten Sohns zog sich Mathilde Chur dann eine Infektion zu, die wenige Tage später zu ihrem Tod an Kindbettfieber führte. Zwei Briefe des Schwagers Rudolph Weber an eine Schwester Mathildes schildern dieses "große Unglück", das bei Carl Chur tiefe Verzweiflung auslöste. Er heiratete nicht mehr und zog seine sieben überlebenden Kinder allein auf.
Bis auf den Sohn Adolf, der in das Geschäft des Vaters eintrat, verließen alle Schwäbisch Hall - zumindest vorläufig. Einige Sorgen dürfte Carl Chur in seinen letzten Lebensjahren das Schicksal seiner Tochter Marie (*1836) bereitet haben, die 1863 den Kaufmann Carl Schwarz im Augsburg geheiratet hatte. Wie aus der Realteilung Carl Churs hervorgeht, war Schwarz in Konkurs gegangen, was seiner Ehefrau eine Einbuße von 5.000 Mark bescherte. Außerdem hatte sich das Ehepaar getrennt, Schwarz selbst war mit den beiden Söhnen Emil und Carl 1880 in die USA ausgewandert und hatte sich in Galveston (Texas) niedergelassen, während seine Frau mit ihren drei Töchtern nach Schwäbisch Hall zurückkehrte. Um den Schwiegersohn von seinem Vermögen - bzw. dem Anteil seiner Tochter daran - sicher auszuschließen, enterbte Chur diese "in guter Absicht" und setzte stattdessen deren Kinder als Erben ein. Carl Chur starb am 12. Juli 1884, 14 Tage vor seinem 80. Geburtstag. Laut Dekan Oskar Schwarzkopf in seiner Beerdigungsansprache "genoß [Carl Chur] die vollste Achtung seiner Mitbürger und die Verehrung aller derer, die ihm, dem bescheidenen, wohlwollenden Mann, näher treten durften. Anspruchslos und mehr in sich gekehrt, als nach außen sich vordrängend, machte er nie viel aus sich selbst. ... Am glücklichsten fühlte er sich im Kreise seiner Kinder und Hausgenossen, denen er ein zärtlicher Vater, ein treumeinendes Oberhaupt war. Mit welcher Liebe hiengen darum seine Kinder an ihm..." Die Realteilung weist auf ein großes Vermögen, das mit insgesamt 193.659,21 Mark veranschlagt wurde. Von dieser Summe gingen Legate z.B. an die langjährige Dienstmagd Mathilde Linse (Geld und Fahrnis, ingesamt 600 Mark) oder "verschämte Hausarme" (500 Mark) ab. Auf jedes der sieben überlebenden Kinder des Paares entfiel auf diese Weise rechnerisch ein Erbe von 28.801 Mark.

 

Adolf Chur (1843-1920)

 

Am 7. April 1843 wurde Adolf Karl Gustav Chur in Schwäbisch Hall als Sohn von Carl Chur, Kaufmann und Inhaber des Manufakturwarengeschäfts J. F. Chur, und dessen zweiter Ehefrau Mathilde geb. Teichmann geboren. Er wuchs als Halbwaise auf, da seine Mutter 1844 nach der Geburt eines Bruders gestorben war. Nach dem Besuch der Realanstalt begann er 1857 in der Tuch- und Teppichwarenhandlung von Ludwig Gottlob Renner in Heilbronn eine kaufmännische Ausbildung. Hier kam er über Renners Sohn Karl vermutlich auch mit dem Feuerwehrwesen in Kontakt. Nach dem Ende seiner Heilbronner Lehrzeit trat Adolf Chur 1861 als "Handlungsbeflissener" in ein Geschäft in Gera ein. 1864 kehrte er nach Schwäbisch Hall zurück und wurde im väterlichen Geschäft tätig; das Haus seines Vaters übernahm er nach dessen Tod 1884. Außerdem trat er der "Steiger-Abteilung" der Haller Feuerwehr bei. Im Mai 1868 heiratete er die drei Jahre jüngere Elise Wilhelmine Thekla geb. Graff (1846-1869), eine Tochter des Kaufmanns Otto Graff in Heilbronn und der Josephine geb. Hoffmann. Das Paar hatte sich bereits während Churs Lehrzeit in Heilbronn kennen gelernt. Die Ehe dauerte allerdings nur kurz, denn das Schicksal seiner Mutter wiederholte sich bei seiner Frau. Elise Chur starb nach der Geburt von Zwillingen am 16. Januar 1869 vermutlich an Kindbettfieber. Drei Jahre später heiratete Chur in zweiter Ehe Marie geb. Zillhardt (1851-1921), mit der er drei Söhne und zwei Töchter hatte. 1881 wählten ihn die Mitglieder der Haller Feuerwehr zum Hauptmann, ein Amt, das er 22 Jahre lang inne hatte. In seine Amtszeit fielen u.a. ein Großbrand in der Baumwollspinnerei Held & Teufel am Ripperg (1897), das 50jährige Jubiläum der Haller Feuerwehr (ebenfalls 1897) - die von Chur verfasste Festschrift war eine der ersten ihrer Art und diente anderen Feuerwehren als Vorbild -, sowie der 13. württembergische Landesfeuerwehrtag 1901. Nach seinem Rücktritt 1903 wurde Chur zum Ehrenvorsitzenden der Haller Feuerwehr ernannt. 1918 musste Chur erleben, dass zwei seiner Söhne, Richard und Friedrich, im Ersten Weltkrieg ihr Leben verloren. Das Geschäft übernahm der dritte Sohn Emil.  Adolf Chur starb am 12. April 1920 im Alter von 77 Jahren.

Quellen

Literatur (Auswahl):

 

  • Adressbücher 1886-1938
  • Walter Carlé: Vorgeschichtliche Salzgewinnung in Schwäbisch Hall, in: Der Haalquell 17 (1965), S. 25-27
  • Walter Carlé: Zur Frage der vor- und frühgeschichtlichen Salinen in Baden-Württemberg, in: Oberrheinische geologische Abhandlungen 14 (1965), S. 141-166
  • F. Fischer: Die vorgeschichtliche Salzsiedersiedlung, in: G. S. Graf Adelmann u.a.: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmalen, Bd. 23: Schwäbisch Hall - Comburg - Vellberg, Mainz 1973, S. 116-125
  • Egid Fleck: Adolf G. Chur, Kaufmann und langjähriger Feuerwehrkommandant, in: Haalquell 15 (1963), S. 41-42
  • Wilhelm Hommel: Keltische und mittelalterliche Salzgewinnung in Schwäbisch Hall, in: Württembergisch Franken NF 20/21 (1939/40), S. 129-144
  • Emil Kost: Die Keltensiedlung über dem Haalquell im Kochertal in Schwäbisch Hall, in: Württembergisch Franken 20/21 (1940), S. 39-111
  • 90 Jahre Kreissparkasse Schwäbisch Hall. Geschäftsbericht für das Jahr 1941 [mit Bericht über Neubau], Schwäbisch Hall 1942
  • Theo Simon: Salz und Salzgewinnung im nördlichen Baden-Württemberg. Geologie - Technik - Geschichte (Forschungen aus Württembergisch Franken, Bd. 42), Sigmaringen 1995.
  • Walther Veeck: Eine keltische Solesiederei in Schwäbisch Hall, in: Württembergisch Franken NF 20/21 (1939/40), S. 112-128
  • Otto Windmüller: Die wirtschaftliche Entwicklung zur Zeit der Frühindustrialisierung, in: Elisabeth Schraut, Harald Siebenmorgen, Manfred Akermann (Hrsgg.): Hall im 19. Jahrhundert. Eine württembergische Oberamtsstadt zwischen Vormärz und Jahrhundertwende (Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums Schwäbisch Hall; Bd. 5), Sigmaringen 1991, S. 36-44, hier S. 38f,
  • Wilhelm Ludwig Wullen: Zur Erinnerung an Frau Elise Chur, geb. Graff. Geboren den 28. October 1848. Entschlafen den 16. Januar 1869, beerdigt den 18. Januar 1869, Schwäbisch Hall 1869 [StadtA Schwäb. Hall So 5506]

Archivalien:

Stadtarchiv Schwäbisch Hall

  • 2/72 (Totenbuch St. Michael 1678-1696), S. 388ff (Nekrolog A. M. Hörner)
  • 2/73 (Totenbuch St. Michael 1697-1717), S. 59ff (Nekrolog G. Hörner)
  • 2/74 (Totenbuch St. Michael 1718-1737), S. 833ff (Nekrolog J. J. Hezel)
  • 2/76 (Totenbuch St. Michael 1763-1775), Bl. 208bff (Nekrolog A. C. Hezel)
  • 2/78 (Totenbuch St. Michael 1785-1807), S. 166ff (Nekrolog J. P. Hartmann), S. 413f (Nekrolog A. E. Hartmann)
  • 4/338 (Ratsprotokoll 1729), Bl. 100a
  • 4/450 (Geheimes Ratsprotokoll 1724-1728), S. 602f
  • 4/672 (Kaufbuch 1710-1712), Bl. 56ff
  • 4/881 (Unterpfandsbuch Stadt 1717), Bl. 350
  • 4/3684 (Protokolle Brandplatzdeputation 1728ff), S. 68
  • 4/3686 (Rechnungen Brandplatzabmessung 1728ff); S. 40
  • 4/1745 (Häuserbuch ca. 1712), S. 124
  • 4/1547 (Häuserbuch 1767), S. 90
  • 4/1547a (Häuserbuch 1782), S. 157
  • 14/1591 (Inventur Gottfried Hörner, 1699)
  • 14/2191 (Inventur der Maria Barbara Zick, 1735)
  • 14/3215 (Inventar der Anna Catharine Hezel, 1767)
  • 18/5761 (Realteilung Carl Chur, 1884)
  • 19/826 (Güterbuch 1), S. 505
  • 19/828 (Güterbuch 3), S. 196
  • 19/1000 (Kaufbuch 1809), Bl. 237bff.
  • R93/1-2 (Kopierbuch des Textilgeschäfts von Johann Friedrich Chur, 1801-1810)
  • Mikrofilm KB 1392 (Familienbuch St. Michael, Buchst. C), Bl. C2 u. C17
  • Genealogische Kartei S27
  • R107/21 (Briefe Rudolf Weber an Fam. Reichenbach in Urspring, 1844)
  • R107/26 (Notizen zur Familiengeschichte Chur / Teichmann)
  • R107/7-8 (Briefwechsel zwischen Carl Chur u. Matilde Teichmann/Chur, 1839-1844)
  • R107/53 (Verkauf Brandplatz an J. P. Hartmann, 1784)
  • R107/54 (Verkauf an F. F. Hartmann, 1790)
  • R107/59 (Geschäftsübergabevertrag, 1831)
  • R107/61 (Reisepaß C. Chur, 1837)
  • R107/62 (Meisterbrief C. Chur, 1831)
  • R107/64 (Empfehlungsschreiben für C. Chur, 1829)
  • R107/70 (Gesundheitspass der Freien Stadt Frankfurt für C. Chur, 1831)
  • R107/71 (Zeugnis T. Seelig für C. Chur).
  • R107/75 (Leichenpredigt F. Chur, 1838)
  • R107/76 (Leichenpredigt C. Chur, 1884)
  • R017/80 (Reisepass C. Chur, 1829-1831)
  • R107/83 (Familienregisterauszug J.F. Chur, 1875)