Haller Häuserlexikon – Primärkataster-Nr.

Neue Straße 10 - ehem. Mohrenapotheke

Adresse: Neue Straße 10
Primärkatasternummer: 475 und 476
Besitzer: 1827
Christmann, Theodor und Luise, Apothekers Kinder


Besitzerliste

Die Mohrenapotheke, eine der ältesten Apotheken der Stadt Hall lässt sich bis ins Jahr 1566 zurückverfolgen. Damals befand sie sich "auf dem Marktplatz, gegen die Trinkstube an St. Jakob's Kirche stehend". Der große Stadtbrand von 1728 vernichtete die Kirche und Apotheke, danach hatte  sie ihren Sitz an der Stelle der späteren Engelapotheke (Marktstraße 2 - heute Weinhandlung Sibylle).

Im Jahre 1761 wurde die Apothekengerechtigkeit von dem damaligen Besitzer Johann Friedrich Christfeld an Johann Philipp Kühnlin verkauft. Kühnlin kaufte auch das Haus Neue Straße 10 und verlegte den Sitz der Mohrenapotheke dorthin. 

 

Die Besitzer der alten "Mohrenapotheke" waren ab 1566: 

Gottfried Krays (Kreiß) aus Bretten (4/1881)

 

1595: heiratet Sibylle, die Tochter von Krays, den Apothekergesellen Reinhard Ritter aus Marburg an der Lahn.

 

1635: Am 22. Oktober verkaufen die Erben von Reinhard Ritter ihre Apotheke an den Apotheker Johann Sebastian Firnhaber (4/658 Fol. 57)

 

1651: Johann Wolfgang Weidner. Firnhabers Tochter Susanna Elisabeth heiratet am 5. August 1651 den Apotheker Johann Wolfgang Weidner. Ihr Vater verkauft die Apotheke an seinen Schwiegersohn um 1900 Gulden. (4/656 fol 63 - Kaufprotokolle 1601 - 1662)

Johann Wolfgang Weidner, geboren 1624 in Braunsbach, Sohn des gleichnamigen Predigers und späteren Dekans, wohnt in der Pfarrgasse, der Sitz der Apotheke ist der Marktplatz. (Beethlisten). Nach seinem Tod übernimmt sein Sohn

 

1687: Johann Christoph Weidner, Apotheker und Oberfleischschätzer, die Apotheke. Geboren 1657, lernt bei seinem Vater die Apothekerkunst, danach arbeitet er als Geselle fünf Jahre auswärts. Er verkauft

1699 für 2.65o Gulden an den Apotheker Philipp Franz Erich die an dem Marktplatz liegende, einerseits der "Stellwag'schen Apotheke" andererseits an die Schmalzstaffel bei der Trinkstube anstoßende Apotheke" (4/669 - Kaufbuch 1698- 1700)

 

1725: Durch den Tod des Philipp Franz Erich wird seine Witwe Maria a geborene Stier alleinige Besitzerin von Wohnhaus (ehemaliges Liebhard'sche Haus, heute Adelshof) und Apotheke. Sie heiratet am 21. Mai 1726 den bisherigen Gehilfen, den Apotheker Johann Michael Heffelmeyer. 

 

1731: Johann Michael Heffelmeyer verkauft die Apothekengerechtigkeit auf dem Marktplatz, die sogenannte "Mohrenapotheke" laut Kaufvertrag vom 7. November 1731, samt dazugehörigen Gerätschaften und Materialien für 4.700 Gulden an seinen bisherigen Provisor, den Apotheker Christoph Scheinhardt. (Kaufvertrag v. 7.11.1731 - 13/221)

 

1743: heiratet Anna Catharina, geborene Textor , verwitwete Pröllochs und Scheinhardt, den Apotheker Johann Friedrich Christfels (Christfelß), Sohn des Philipp Ernst Christfels, hohenlohisch-schillingfürstischer Consistorialis und Kammerrat zu Wilhelmsdorf (14/2447)

 

1761:  Johann Friedrich Christfels, des äußeren Rats und Pflegers des gemeinen Haals und seine Eheliebste Frau Catharina, eine geborene Textorin, verkauft am 15. September 1761 an seinen bisherigen Provisor und neu angehenden Bürger dahier, Herrn Johann Philipp Kühnlin von Göppingen aus dem Herzogtum Württemberg, die Mohrenapotheke samt dem Privilegio und allem Material, Waren, auch Medicamentis, Simplicibus et Compositis, usw., für 5.000 Gulden - Kaufvertrag 4/684

 

Ebenfalls am 15. September 1761 kauft Johann Philipp Kühnlin von Johann Jakob Weidner, Handelsmann, das Eckhaus in der Neuen Straße, für 1.800 Gulden - Kaufvertrag 4/684 und 4/881, S 199, 4/1547a, S 179

Häuserbuch von 1782-

1778:  Johann Friedrich Lutz, Apotheker - 4/881, S 199

1813:  Christoph Ludwig Christmann, Apotheker - 4/881, S 199

 

1822:  Christian David Schmidt, Apotheker - 4/1547a, S 179

1826:  Theodor und Luise Christmann erben die Apotheke von ihrer Mutter

1864/65:  Von Apotheker Eberhard Blezinger in Gemeinschaft mit seiner Ehefrau erkauft

 

1894:  wird die Apotheke an Dr. Theodor Blezinger verkauft

Adressbücher:

1928  Christmann'sche Apotheke, auch Homöopatische Apotheke. Verwalter Richard Strebel

 

1932:  Theodor Blezinger

 

1956 und 1962: Theodor Blezinger

Befunde aus Bauakten

1897: Einem Bauantrag des Apothekers Dr. Theodor Blezinger zufolge soll das Haus Nr. 475/476 "durch ein neues Stockwerk u. einen neuen Dachstock-Aufbau erhöht werden". Eine Aufstockung ist auch für das benachbarte Haus Nr. 474 (heute: Neue Straße 12) geplant. Während die Aufstockung hier offensichtlich tatsächlich ausgeführt wird, unterbleibt sie bei Nr. 475/476.

1898: Dr. Theodor Blezinger lässt sich "die Erbauung eines einstockigen Magazin- & Waschküchengebäudes" im Hinterhof des Hauses Nr. 474 (Neue Straße 12) genehmigen. Das Gebäude entsteht an Stelle einer bereits bestehenden, älteren Waschküche.

1899: Eine "gemeinderäthliche  Genehmigung " gestattet Dr. Blezinger sein Vorhaben "zur Anlegung eines neuen Einganges nebst 2 seitlichen Fensteröffnungen in seiner Apotheke im Erdgeschoß & an der Ostseite seines Hauses No. 475&476".

1900: Dr. Theodor Blezinger beantragt, private Telefonleitungen zum Haus Holzwarth (Nr. 752, heute Heimbacher Gasse 12) und zu seinem Gartenhaus "oberhalb der Friedensau" verlegen zu dürfen. Damit soll eine bereits bestehende, der württembergischen Post abgekaufte Leitung zum ehemaligen Elternhaus Blezingers (Am Schuppach 1) sowie eine weitere Leitung von der Mohrenapotheke zum Haus Am Markt 8 und weiter zur Marktstraße 6 ergänzt werden. Blezinger soll Pläne vorlegen, ansonsten will man das Vorhaben genehmigen.

1900: Die bereits 1897 beantragte, aber unterlassene "Vergrößerung der Fenster meiner Apotheke im Hause Nro. 475/476" wird von Dr. Theodor Blezinger erneut zur Genehmigung vorgelegt.

1902: Im Hinterhof wird ein an das Hinterhaus Nr. 10a anstoßender, bislang unbebauter "Winkel" von 3 m länge und 1 m Breite überbaut.

1904: An Stelle eines abzutragenden alten Kamins wird ein neuer, 20 x 20 cm weiter Kamin vom Dachstock bis auf Gebälkhöhe des 1. Stocks hinuntergeführt.

1924: Das Glasdach über der Waschküche im Hinterhof wird repariert.

1924: Die Genehmigung zur Erstellung eines neuen Kamins an Stelle eines alten, besteigbaren Kamins wird erteilt.

1932: Der Kamin der Waschküche im Hinterhof soll um 2 m erhöht werden.

1933: Das städtische Bauamt genehmigt die Anbringung zweier Schaukästen der Apotheke im Erdgeschoss.

1935: Apotheker Dr. Theodor Blezinger reicht Pläne ein, die (wie bereits 1897) eine Aufstockung des Hauses um ein weiteres Stockwerk vorsehen. Diese werden aber offensichtlich nicht umgesetzt.

1936: Anbringung eines "Stechschilds" mit der Aufschrift "Apotheke" an der Hausecke Neue Straße/Mohrenstraße. 

1939: Die geplante Anbringung einer "Neonanlage" mit dem kreuzförmigen Emblem des Pharma-Herstellers "Bayer" an der Hausecke wird unter der Auflage sorgt für einen längeren Schriftwechsel. Bürgermeister Dr. Prinzing kann sich zu einer Genehmigung "nicht enschliessen, da neuerdings beabsichtigt ist, die vorhandenen, in den öffentlichen Verkehrsraum hineinragenden Schilder, Transparente usw. wegzusprechen". Es bleibt deshalb beim alten Zustand.

1948: Umbau und Reparaturen am Haus Neue Straße 10: Der Hauseingang zur Neuen Straße wird zum Fenster umgebaut, der frühere Ladeneingang zur Mohrenstraße wird Hauseingang. Die Sandsteinfassade im Erdgeschoss wird "formal geändert" und teilweise verputzt. I. und II. Stock werden ebenfalls verputzt, im Erdgeschoss erfolgt noch die Ersetzung von Türen und Fenstern. Der stellvertretende Stadtbaumeister Wilhelm Schäpperle stellt in diesem Zusammenhang auch fest (28.8.1948): "Die Versetzung der Figur an die Ecke bedeutet eine Verbesserung". Die heutige Figur an der Hausecke ist damit erst 1948 an ihrem Standort angebracht worden. Zu ihrer Herkunft gibt es in den Bauakten keine Angaben. Aufgrund der deutlich erkennbaren Unterschiede kann es sich aber nicht um eine der beiden Figuren handeln, die vermutlich bis zu den Umbauten 1946-1946 in Nischen an der Fassade zur Neuen Straße hin aufgestellt waren (siehe ältere Fotos). Weitere, teils bereits 1946 angekündigte Arbeiten (Verlegung des Treppenhauses, Verbesserung des Zugangs zum Keller) werden ebenfalls ausgeführt.

1959: Einbau von Spülaborten und Anschluss des Hauses an das städtische Dolennetz (Kanalisation).

1952: Einbau eines Zimmers im Dachstock der Mohrenapotheke.

1961: Kleine bauliche Veränderungen an den Gebäuden im Hinterhof der Apotheke (Herausbrechen von Wänden und Einziehen von Trägern).

1961: Erteilung der Genehmigung zur Umstellung der Heizung auf Ölfeuerung. In diesem Zusammenhang wird im Keller ein 8.000-Liter-Heizölbehälter eingebaut.

1965: Einbau eines neuen Ladeneingangs und neuer Schaufenster im Erdgeschoss,

1971: Weitere Umbauten im Erdgeschoss: Vergrößerung der Ladenfläche und des Schaufensters zur Neuen Straße, Erstellung eines durchgehenden Schaufensters zur Mohrenstraße.

2012: Umfassender Umbau (HT)

Beschreibungen

1827: Wohnhaus mit 14,2 Ruten Neue Straße

 

Beschreibungen aus den Denkmallisten

Die Hausfigur (wohl des frühen 19.Jh.) symbolisiert den Apothekerberuf: Ein Mohr presst Schlangengift, eine Grundsubstanz zur Gewinnung von Heilstoffen, in den Kelch in seiner Hand und nimmt damit Bezug auf die traditionsreiche Mohrenapotheke im Eckhaus. Die aus Holz gearbeitete polychrome Figur stellt ein sprechendes Namens- und Berufssymbol und zugleich ein Dokument lokaler Bildnerei im 19. Jh. dar. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, Stand 10/1982, S. 328)

 

 

Neue Straße 10 (Flst.Nr. 0-87/11). (am Gebäude) Aus Holz gearbeitete polychrome Mohrenfigur (symbolisiert den Apothekerberuf). 19. Jahrhundert. § 2 ( aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Besonderheiten

Ein tödlicher Unfall in der Apotheke im Jahr 1826

Die Majer'sche Chronik berichtet von einem Unfall mit Gift: "Den 2ten October geschah in der hiesigen Mohren Apothece durch Unglück, daß das Glas des VItriols zersprang, und den einen Gehülfen ganz todt, mit Nahmen Bauer von Steinbach gebürtig, zwey aber verwundet" (StadtA Schwäb. Hall HV HS 152, S. 227).  

Biografien von Hausbesitzern und -bewohnern

Dr. Theodor Blezinger (1866-1926)

Theodor Blezinger (1866 - 1926) promovierte 1892 an der Universität Erlangen zum Doktor der Philosophie, danach bildete er sich in Lausanne und anderen großen Städten in seinem Fach weiter. 1894 übernahm er von seinem Vater die "Christmann'sche Apotheke". In den Nachrufen wurde er als  "uneigennütziger Vaterlandsfreund" gepriesen, der "seine ganze Kraft seiner geliebten Vaterstadt, seinen Kollegen und seinem Geschäft gewidmet hatte". Er war ab 1898 Vorsitzender des Friedensverein und  25 Jahre lang Mitglied des Gemeinderats. Seiner Werbearbeit war der Entschluss zum Bau einer großzügigen Wasserversorgung der Stadt und seiner Mitarbeit deren Durchführung zu verdanken. Von den Kollegen des Jagstkreises wurde er in jungen Jahren zum Vorstand gewählt und 1912 vom Ministerium zum Apothekenvisitator berufen, er soll als solcher sehr geschätzt gewesen sein. In seinem Geschäft führte er, wie aus den Anzeigen des Haller Adressbuches zu ersehen ist,viele Neuerungen ein, so dass dieses weithin als mustergültig galt. ( Homöopathische Zentralapotheke, Weine in Flaschen, Champagner, China-, Chinaeisen und Pepsin-Wein, Tee, Kakao, chemisches und bakeriologisches Laboratorium, Sodawasser-und Mineralwasserfabrik, natürliche Mineralwässer, photographische Artikel und Apparate, Drogen, Chemikalien, Kindernährmittel, Verbandsstoffe aller Art, Inhalationsapparate, Irrigatoren). Das Haller Tagblatt schildert die Persönlichkeit Blezingers mit folgenden Worten: Selten war ein Mann von so großem Einfluss für die Geschichte unserer Stadt. Sein Urteil, getragen von einer umfassenden Bildung, vermochte im öffentlichen Leben seine Ansicht vielfach zum Vorteil in die Waagschale zu werfen, seine Überzeugung ausschlaggebend zu machen. (HT vom 20.7.1926) (siehe: Alexander: Haller für den Frieden)

Quellen

Literatur:

  • Philippe Alexandre: Haller für den Frieden 1870-1914. Ein Beitrag zur Geschichte der bürgerlichen Friedensbewegung im Württemberg der Kaiserzeit, in: Württembergisch Franken 82 (1998), S. 199-324 [u.a. zu Th. Blezinger]
  • Mara Mertin: Das Alte brauchbar machen. Haus in der Neuen Straße 10 wird umgebaut - Besitzer hofft auf Enkel als Apotheker, in: Haller Tagblatt v. 8.8.2012, S. 10

Archivalien:

  • StadtA Schwäb. Hall HV HS 152 (Majer'sche Chronik), S. 227
  • Baurechtsamt Schwäbisch Hall, Bauakten Neue Straße 10