Haller Häuserlexikon – Primärkataster-Nr.

Salinenstraße 6-10 (früher 4) - Haus der Bildung, ehemalige Justizvollzugsanstalt

Adresse: Salinenstraße 6-10 (früher 4)
Primärkatasternummer: 850 u.a. (s.u.)
Besitzer: 1827
850: Renner, Albrecht; 851+851a: Renner, Albrecht; 855ab: Die Stadtgemeinde; 867: Königl. Salinenverwaltung


Besitzerliste

1827:

PKN 850, 851 und 851a: Renner, Albrecht, Stärkefabrikant;

PKN 855ab: Die Stadtgemeinde;

PKN 867: Königl. Salinenverwaltung

Haustafel

Das Königreich Württemberg führte 1839 eine neue Strafprozessordnung ein und ließ dafür ein damals modernes Gefängnis für den Jagstkreis direkt unterhalb der alten Stadt bauen. 1849 fertiggestellt, bot die einst dreiflügelige Anlage 550 Häftlingen Platz. Eine strenge, gerechte und humane Behandlung sollte auf eine sittliche Besserung der Gefangenen einwirken. Das Gefängnis war bis 1998 belegt, seit 2011 ist hier das Haus der Bildung untergebracht.

Befunde aus Bauforschung

Eintrag in der Denkmalliste

Salinenstraße 4 (Flst.Nr. 0-74). Ehem. Justizvollzugsanstalt. Erhaltene

Teile sind der mittige zentrale Verwaltungsbau mit Zellentrakten für

Männer und Frauen im Süden und Norden, sowie das westlich vorgelagerte

Torhaus. 1843-47 (Sachgesamtheit). § 2. ( aus: Liste der Kulturdenkmale

in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Zur Geschichte des Gefängnisses

Seit 160 Jahren prägt das im Volksmund „Kocherhotel“ bezeichnete Gefängnis am Froschgraben das Stadtbild von Schwäbisch Hall. Mit dem bevorstehenden Bau des Kocherquartiers wird ein Teil der Bauten verschwinden, der Rest völlig neue Funktionen erhalten – Anlass für einen Blick in die lange Geschichte des Bauwerks.

Bis heute wird die Anekdote erzählt, der württembergische König habe die Haller vor die Wahl zwischen einer Kaserne und einem Gefängnis gestellt, woraufhin sich diese für zweiteres entschieden hätten, da davon weniger Gefahr für die Tugend der Bürgertöchter ausginge. Tatsächlich gab es diese Wahl nicht. Als Wilhelm I. im Jahr 1839 die Einrichtung eines Gefängnisses verfügte, stand die Einführung eines neuen Strafgesetzbuchs und die daraus resultierende Reorganisierung des Strafvollzugswesens im Hintergrund. Als Sitz eines Oberamts (Vorläufer des Landkreises) bot sich die ehemalige Reichsstadt als Standort an. Hinzu kam, dass die Haller die Ansiedlung begrüßten und das Baugelände zur Verfügung stellten, weil sie auf eine Belebung des Gewerbes hofften. Provisorischer Standort der Einrichtung, die neben der Funktion eines Gefängnisses für den Jagstkreis (Vorläufer des Regierungsbezirks) eine „Strafanstalt für jugendliche Verbrecher“ aus ganz Württemberg umfassen sollte, war der ehemalige Marstall an der Salinenstraße, heute Sitz der Fachhochschule.

Der 1843 begonnene Neubau nahm – obwohl nur teilweise vollendet – bereits im Oktober 1846 seinen Betrieb auf. In seiner 1849 fertig gestellten Form bestand er aus einem zentralen Verwaltungsbau, rechts und links davon je einem Bau für Männer und Frauen und dahinter einem Gebäude für Jugendliche. Der völlig neue Entwurf ermöglichte ein modernes System der Kontrolle und Überwachung. Eine „strenge, gerechte und humane Behandlung“ zielte auf eine sittliche Besserung der Gefangenen. Sie erhielten Unterricht, außerdem sollten sie ein Handwerk erlernen können und sinnvoll beschäftigt werden. Hierfür entstanden mehrere Werkstätten, so eine Buchbinderei, eine Weberei, eine Schlosserei und eine Bäckerei. Bei den Haller Gewerbetreibenden stieß dies auf großes Missfallen, da man – statt einen Abnehmer für eigene Produkte zu bekommen – nun einen Konkurrenten hatte, der „wohlfeilere Preise machen kann“. Um 1850 war das Gefängnis mit 550 Häftlingen belegt, für deren Betreuung der Anstaltsleiter, zwei Geistliche, ein Wundarzt, zwei Lehrer, elf Aufseher und vier Aufseherinnen zuständig waren. Die Zuständigkeiten und Benennungen der Anstalt änderten sich immer wieder, bis sie ab 1871 als „Landesgefängnis“ firmierte (d.h. der „Einzugsbereich“ umfasste ganz Württemberg). Weibliche Häftlinge gab es bereits seit 1858 nicht mehr.

der Jugendstrafvollzug verdient besondere Erwähnung, da hier engagierte Männer wie Eduard Jeitter, Anstaltsleiter seit 1860, eine pädagogisch orientierte Form des Strafvollzugs entwickelten, die „im Gefangenen nicht in erster Linie den Straftäter, sondern einen besserungsfähigen jungen Menschen sah“( Johannes Meister). Das „Haller Modell“ fand in Fachkreisen große Beachtung und zog Besucher aus dem In- und Ausland an, sogar den König, der die Anstalt 1858 besichtigte. Mit der Verlegung nach Heilbronn endete 1876 der Jugendstrafvollzug in Hall vorläufig.

Als erste wichtige Erweiterung kam 1877 die Kleincomburg als „Filialanstalt“ für 60 bis 90 Gefangene hinzu. Sie dient noch heute dem „gelockerten Vollzug“. Später folgte das alte Amtsgerichtsgefängnis („Blockhaus“) an der Unterlimpurger Straße als Freigängerheim. Es wurde 1986 abgerissen und durch einen Neubau in der Nähe ersetzt. Das Gefängnis selbst erweiterte man 1898/99 um den dreigeschossigen Zellentrakt unterhalb des Badtörles. In den Jahren 1928 bis 1931 folgte eine umfassende Modernisierung und Erweiterung der gesamten Anlage, bei der die bestehenden Bauten zum Teil erweitert und aufgestockt wurden. U.a. erhielt der Zellentrakt seinen sechsstöckigen Turm, zur Gelbinger Gasse hin entstand ein Neubau, der u.a. Küchen, Bäder und ein Krankenrevier enthielt.

Die Geschichte der Justizvollzugsanstalt während des Nationalsozialismus ist bislang kaum erforscht. Ein Häftling dieser Zeit war der Alchemist Franz Tausend (1884-1942). Der aus Krumbach (Bayern) stammende, notorische Hochstapler hatte in den 1920er Jahren im völkisch-nationalsozialistischen Milieu um den Weltkriegsgeneral und Hitlerförderer Ludendorff Investoren für seine bizarren Projekte zur Goldherstellung gefunden und soll später in einem geheimen Labor in Berlin für SS-Chef Heinrich Himmler gearbeitet haben. Die letzte von zahlreichen Verurteilungen als Betrüger brachte ihn nach Schwäbisch Hall, wo er 1942 starb. Im Sommer 1944 hielt das NS-Regime in Hall 24 französische Widerstandskämpfer gefangen, die im Zusammenhang mit der sogenannten „Nacht und Nebel“-Aktion heimlich nach Deutschland verschleppt worden waren. Sie wurden am 21. August 1944 in Heilbronn erschossen. Die „normalen“ Häftlinge zog man gegen Ende des Kriegs als Arbeitskräfte für die nach Schwäbisch Hall verlagerten Rüstungsbetriebe heran.

 

Die Besetzung Schwäbisch Halls durch die US-Armee am 17. April 1945 brachte nicht nur Opfern des NS-Regimes die Freiheit, sondern auch kriminellen Häftlingen, die sich erfolgreich als politische Gefangene ausgegeben hatten. Die US-Armee beschlagnahmte das Gefängnis und nutzte es zur Inhaftierung von Zivilisten mit NS-Vergangenheit, Kriegsgefangenen und mutmaßlichen Kriegsverbrechern. Später wurden hier auch straffällige "Displaced Persons" (v.a. befreite Zwangsarbeiter) festgehalten. Nach der Rückgabe an die deutsche Verwaltung diente das Gefängnis ab 1948 erst als Zuchthaus, dann als Landesgefängnis, bis 1952 schließlich die Umwandlung in die Jugendstrafanstalt des Landes Baden-Württemberg erfolgte. Die hohe Belegung mit zwischen 500 und 600 Gefangenen erschwerte eine pädagogische Arbeit mit den Gefangenen massiv, bis die Inbetriebnahme der Jugendstrafanstalt Adelsheim 1974 eine Entlastung bewirkte. Das nun umgesetzte, fortschrittliche Konzept mit Ausbildungsbetrieben, Wohngruppen und pädagogischen Gruppen verschiedener Art machte die Haller Anstalt erneut zu einem weithin bekannten Modell. 1996 endete schließlich die Zeit des Jugendstrafvollzugs in Schwäbisch Hall, das Gefängnis wurde nun auch mit Erwachsenen belegt. Die rückläufige Zahl der Häftlinge im Jugendvollzug und die stark steigenden Zahlen bei den Erwachsenen machten diese Umstrukturierung notwendig.

 

Eine Aufgabe des alten Standorts wegen Sicherheitsmängeln und fehlender Wirtschaftlichkeit war bereits 1961 gefordert worden. Bei der Stadt stieß die Möglichkeit, das städtebaulich wertvolle Gelände zu übernehmen, auf größtes Interesse. Umplanungen, Korrekturen und Finanzprobleme verzögerten die Angelegenheit erheblich, ein 1982 beendeter Architekturwettbewerb änderte ebenso wenig wie ein 1986 abgeschlossener Tauschvertrag. Die Stadt trat darin das Neubaugelände in der Stadtheide ab, bezahlte 7,35 Mio. DM (3,76 Mio. €) und erhielt dafür vom Land das gesamte Gefängnisareal zugesprochen – bei Abschluss des Neubaus. Dieser ließ jedoch weiter auf sich warten. Nach einem zwischenzeitlichen Planungsstop aus Finanzgründen (1992) begann der Bau 1995 und wurde 1998 beendet. Als die Justizvollzugsanstalt in den 74 Mio. DM (37,9 Mio. €) teuren Neubau in der Stadtheide zog, befanden sich hier, auf der Kleincomburg und im Freigängerheim etwa 350 Gefangene. Der Platzmangel in den Haftanstalten führte dazu, dass das Land einen Teil des Altbaus zurückmietete und noch einige Zeit mit Häftlingen belegte. Nachdem erste Planungen für das Areal 2002 an der städtischen Finanzkrise und dem Fehlen eines Investors scheiterten, beginnen nun die Abriss- und Bauarbeiten. Angesichts der wichtigen Rolle, die das Gefängnis für die Geschichte Schwäbisch Halls im 19. und 20. Jahrhundert gespielt hat, kann nur begrüßt werden, dass der denkmalgeschützte Ursprungsbau in neuer Funktion weitgehend erhalten bleiben und das neu entstehende Kocherquartier prägen wird.

Daniel Stihler

Vom ursprünglichen Bau von 1846 blieben nach Beschluss des Gemeinderates der Nord- und Südbau sowie der Mittelbau erhalten. Der Ostbau wurde schon 2007 abgebrochen. Der erhalten gebliebene, immer noch fast 120 Meter lange Baukörper wurde unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten renoviert und neuen Nutzungen zugeführt. Im Innern konnten große Teile der Raumaufteilung erhalten werden wie z. B. teilweise die schmalen Einzelzellen, die historischen Böden oder die Zellentüren. Eine "Musterzelle" im Nordflügel des Nordbaus im 1. Obergeschoss erinnert an die 150 Jahre lange Nutzung als Gefängnis. Die um 1930 eingefügten massiven Zwischenbauten wurden durch Stahl-Glas-Brücken ersetzt. Dadurch nähert sich die Kocherfassade wieder dem ursprünglichen Bild aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Mit der Renovierung wurde im Herbst 2009 begonnen, im September 2011 wurde das Substanz schonend modernisierte Gebäude mit 25.000 m³ Rauminhalt an die neuen Nutzer (vor allem Volkshochschule und Musikschule) übergeben. Im kaum unterteilten Erdgeschoss ist gewerbliche Nutzung untergebracht.
Seit dem Umbau punktet das renovierte Gebäude als ein wesentlicher Teil des Haller Stadtbildes und strahlt positiv auf das neu erbaute Kocherquartier aus. Die Umbaumaßnahmen wurden von der Städtischen Wohnbaugesellschaft GWG duchgeführt, planenender Architekt war Lorenz Kraft aus Schwäbisch Hall.
Albrecht Bedal

Beschreibungen

1827:

PKN 850: Scheuer mit 9,8 Ruten Am Eichbuk;

PKN 851: Wohnhaus mit 22,2 Ruten und 851a: Remise mit 3,2 Ruten;

PKN 855a: Hütte mit 3,9 Ruten Am Eichbuk, und 855b: Waschhaus mit 2,8 Ruten An der Stärkmühle;

PKN 867: Salinensiedhaus samt Anbau mit insgesamt 3/8 Morgen und 41,4 Ruten Auf dem Eichbuckel

 

Archäologische Funde aus dem 13./14. Jahrhundert und 18. bis 20. Jahrhundert.

Pläne der Stadtentwicklung.

(StadtA Schwäb. Hall BF 180)

Besonderheiten

neue PKN: 985; frühere Nr.: Salinenstraße 3

Quellen

Literatur (Auswahl):

  • Bücker, Hartmut: Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Hall. 150 Jahre Haller Knast 1847-1997, Schwäbisch Hall 1997
  • Jeitter, Eduard: Die K. Württembergische Strafanstalt für jugendliche Verbrecher in Schwäbisch Hall (Der Gerichtssaal. Zeitschrift für volksthümliches Recht und Wissenschaftliche Praxis; 15. Jg., Beilageheft), Erlangen 1863
  • JVA/Haus der Bildung. Türen öffnen sich. Hrsg. vom Fachbereich Kultur, Schwäbisch Hall 2011
  • Meister, Johannes: Aus der Entwicklung des Jugendstrafvollzugs. Von der "Königlichen Strafanstalt für jugendliche Verbrecher in Hall" (1846-1876) zum "Jugendgefängnis der Reichsjustizverwaltung" in Heilbronn (1937-1945), in: Württembergisch Franken 70 (1986), S. 123-134
  • Michaelis, Klaus: Schwäbisch Haller Strafanstalt im Wandel der Zeiten. Vor 100 Jahren erschien der erste Bericht aus der Salinenstraße, in: Der Haalquell 15 (1963), S. 56
  • Neubau der Vollzugsanstalt Schwäbisch Hall. Ein Projekt der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung. Hrsg. vom Finanzministerium Baden-Württemberg, Heilbronn 1998
  • Schweizer, Edeltraud: Der Jugendstrafvollzug in Hall im 19. Jahrhundert, in: Württembergisch Franken 79 (1995), S. 353-422