Gebäudeverzeichnis

Henkersbrücke

Adresse: Henkersbrücke
Primärkatasternummer: keine
Besitzer: 1827
Stadtgemeinde


Besitzerliste

1827: Die Stadtgemeinde

Befunde aus Bauforschung

Vorgängerbau (14. Jh?) und Fundamente des Brückentors bei Wiederaufbau nach 1945 im Altstadtbereich (Ende Neue Straße) nachgewiesen (Krüger). Östlicher (altstadtseitiger) Bogen stammt in erheblichen Teilen noch von Neubau 1502/04 Kalksteinblöcke mit Steinmetzeichen), spätere Reparaturen und Erweiterungen erkennbar. Mittlerer und westlicher Bogen nach Brückensprengung 1945 neu gebaut. Vgl. auch Datenbank Bauforschung Baden-Württemberg.

Beschreibungen

Heimbacher Gasse, Neue Straße (Flst.Nr. 0-50). Henkersbrücke , dreiteilige Bogenbrücke aus Muschelkalkstein über den Kocher, mit Schießerkern auf den Brückenpfeiler und dem sog. "Henkershaus" auf dem westlichen Pfeilervorkopf, 1502 unter Verwendung älterer Fundamente (Pfeiler) errichtet, die beiden westlichen Bögen 1945 gesprengt, 1947-49 Wiederaufbau (Stahlbeton mit Muschelkalksteinverkleidung) § 2. (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Die Henkersbrücke


Die urkundlich erstmals 1228 erwähnte Brücke entstand vermutlich gegen Ende des 12. Jahrhunderts. In der älteren Literatur wird vielfach davon ausgegangen, dass mit dieser Brücke der Steinerene Steg gemeint ist, diese Annahme kann aber als wiederlegt gelten. Der Steinerne Steg wurde erst 1516/17 an Stelle eines Holzstegs errichtet. 1343 gestattete Kaiser Ludwig der Bayer den Hallern, einen bereits bestehenden, zur "Besserung" der Brücke dienenden Brückenzoll weiterhin einzuziehen. Die Urkunde kann deshalb nicht - wie geschehen - zur Datierung eines Brückenbaus herangezogen werden. Der 1348 erneut erwähnte Brückenzoll ist später verschwunden, vielleicht, nachdem die Reichsstadt Hall in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den Zoll an den Stadttoren in ihre Hand brachte.

Hinweise auf umfangreiche Bauarbeiten an der Brücke geben die Stadtrechnungen von 1439/40, in denen zahlreiche Holzfuhren erwähnt sind. Die 1946 entdeckten Fundamente zweier 2,40 m breiter und 5,40 m langer Steinpfeiler sind wahrscheinlich diesem Bauwerk zuzuordnen. Ab 1502 wurde die wahrscheinlich teils steinerne, teils hölzerne Brücke durch einen Steinbau mit drei Bögen ersetzt. Bis 1504 wendete man hierfür die erhebliche Summe von 1.809 Gulden auf. Die Henkersbrücke war nun etwa 6 m breit und wies auf beiden Seiten einen Wehrgang mit Schießscharten auf. Über den Pfeilern befanden sich Erker. Dass die Brücke tatsächlich eine gewisse militärische Bedeutung hatte, zeigt sich daran, dass während des Bauernkriegs 1525 dort zwei Geschütze aufgestellt wurden. Reparaturen der Brücke gab es 1782 und 1807, nachdem der mittlere Bogen akut einsturzgefährdet war. Weitere Maßnahmen folgen 1830 und 1848/49. 1855 ließ die Stadt den Brückenkopf zur Altstadt hin verbreitern, um die Befahrbarkeit zu verbessern. Tiefgreifende Einschnitte gab es 1858 bis 1859, als die Wehrgänge abgebrochen, durch Eisengitter ersetzt und die Brücke durch Auskragungen auf 7,55 m verbreitert wurde.

Bereits sehr konkrete Pläne zu einer Verbreiterung der Brücke wurden 1929 vorgelegt, aber nicht verwirklicht. Hintergrund war die starke Verkehrsbelastung speziell der Henkersbrücke durch den Durchgangsverkehr. Die württembergischen Staatsstraßen 21 und 25, Vorläufer der Bundesstraßen B 14 und B 19, führten durch die Haller Innenstadt und nutzten beide die Henkersbrücke als Flussübergang. Die Folge war nicht nur ein für die 1920er Jahre sehr hohes Verkehrsaufkommen, sondern eine Reihe schwerer Unfälle, die insbesondere durch das steile Gefälle der Stuttgarter Straße und Heimbacher Gasse, mangelhafte Bremsen und die Enge der Brücke entstanden. Der Haller Gemeinderat entschied sich jedoch schließlich gegen das Brückenprojekt und stattdessen für den Bau einer stadtnahen Umgehungsstraße, der heutigen Johanniterstraße (Baubeginn 1933).

Am 17. April 1945 sprengten deutsche Soldaten die Brücke, um den Vormarsch der US-Armee zu erschweren. Hierbei stürzte der Bogen zum Weiler hin in den Kocher, der mittlere Bogen wurde schwer beschädigt, während der Bogen auf der Altstadtseite weitgehend intakt blieb. Den am 18. Juni 1949 eingeweihten Neubau entwarf der Haller Architekt und Bauforscher Dr. Eduard Krüger. Das auf 9,50 m erweiterte Bauwerk bezog die vorhandenen Reste der Brücke von 1504 ein, ist aber eher eine freie Nachempfindung als eine Rekonstruktion des Vorgängers.

Auf der Seite zum Weiler hin gab es wahrscheinlich ein bereits im 18. Jahrhundert verschwundenes Vortor, das es ermöglichte, den Zugang zur Brücke zu sperren. Auf der nördlichen Seite des westlichen Pfeilers vor dem Weiler saß bis Anfang des 18. Jahrhunderts das Brückenwärterhaus (sichtbar auf dem Schreyer-Gemälde von 1643). Das Fundament dieses Brückenhauses in Form einer Verlängerung des Pfeilers existiert heute noch und trägt das von Eduard Krüger entworfene Brückenhäuschen. Es diente anfangs als Telefonzelle, am 17. November 1948 erlaubte der Gemeinderat dem Baron Kuno von Grotthuß die Einrichtung eines Kiosks. Die dort angebrachte Maske verweist auf die (falsche) Geschichte, der Henker habe auf der Brücke gewohnt (sein Wohnhaus war das Gebäude Im Weiler 40). Die Maske ist offensichtlich inspiriert von der Figur des Mephisto aus einer Faust-Inszenierung von Gerhards Marionettentheater in Hall.

Auf der Altstadtseite befand sich bis zum Großen Stadtbrand von 1728 das Brückentor. Die 1946 ausgegrabenen Fundamente weisen 1,60 m dicke Mauern auf und haben einen rechteckigen Grundriss mit 6,80 m Breite und 7,65 m Länge. Offenbar wurde der Torturm nachträglich - wohl im späten 13. oder im 14. Jahrhundert - in die um 1250 entstandene Stadtmauer eingesetzt. Auf dem Steinturm saß ähnlich wie beim Josenturm in der Gelbinger Gasse ein Fachwerkaufsatz. Der Turm brannte 1728 aus und wurde in der Folge abgerissen.

Ihren Namen hat die teilweise auch als St.-Johanns-Brücke oder Ritterbrücke (im 19. Jahrhundert) bezeichnete Henkersbrücke daher, dass der Haller Scharfrichter auf der Brücke einen Holzzoll einziehen durfte, der Teil seiner Besoldung war. Wegen dieses Zolls kam es immer wieder zu Konflikten mit Bauern und Fuhrleuten, die diesen zu umgehen versuchten. Es hat zwar wahrscheinlich keine Hinrichtungen auf der Brücke gegeben, offenbar tauchte man von dort aus jedoch Delinquenten in einem Käfig oder mit einem speziellen Sessel in den Kocher. Diese Strafe wurde offenbar z.B. für Gartendiebe angewendet.

Quellen

Archivalien:

 

  • StadtA SHA 55/9 (Gemeinderatsprot. 1948), S. 271, 277, 304, 310 (Kiosk).

Literatur:

  • Fritz Rosenbauer: Vom Leben und Treiben auf einer alten Brücke. Wie es auf der Henkersbrücke vor rund 60 Jahren zuging, in: Haller Tagblatt v. 02.10.1984
  • Daniel Stihler: Die Schwäbisch Haller Brücken und Stege des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, in: Württembergisch Franken 86 (2002), S. 95-126
  • Daniel Stihler: "Der technische Fortschritt kündigt sich in Form eines knatternden, rasenden Ungeheuers an..." Der Siegeszug des Automobils in Schwäbisch Hall bis in die 1930er Jahre, in: Andreas Maisch (Hrsg.): Unterwegs. Schlaglichter zu Verkehr und Kommunikation in Schwäbisch Hall vom Mittelalter bis 1950 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Schwäbisch Hall; H. 27), Schwäbisch Hall 2012, S. 205-257, hier S. 241-251