Gebäudeverzeichnis

Langer Graben 10 - Grundschule am Langen Graben

Adresse: Langer Graben 10
Primärkatasternummer: keine
Besitzer: 1827


Besitzerliste

1880: Die Stadtgemeinde lässt auf der bisherigen Gartenparzelle Nr. 630 das Volksschulgebäude erstellen.

Befunde aus Bauforschung

1880-1882 nach Plänen des Schwäbisch Haller Stadtbaumeisters Christoph Kolb im historistischen Stil errichtet.

Befunde aus Bauakten

1880: Die Stadt legt die Pläne von Stadtbaumeister Kolb für ein dreiflügeliges Gebäude zur Genehmigung vor. Die Schule erhält eine sog. "Luftheizung", bei der Warmluft über ein System von Kanälen und Röhren in den Wänden zu den Räumen des Gebäudes geleitet wird.Die Pläne sehen ein Gebäude von 38,9 m Länge und 27,84 m Breite vor. Die nördlichen und südlichen Flügelanbauten enthalten jeweils separate Eingänge und Treppenhäuser für die Mädchen- und Jungenklassen. Auch innerhalb der Stockwerke gibt es Trennwände zwischen Mädchen- und Jungenbereichen mit Türen. Das "Souterrain" enthält eine Wohnung für den Schuldiener und 3 "Heizkammern". Im Parterre befinden sich 3 Knabenklassen und 3 Mädchenklassen für jeweils 80 Schüler, außerdem 2 Lehrerzimmer, ein "Conferenzzimmer" sowie die Zugänge zu den "Abtritten". Im I. Stock liegen 2 Knabenklassen und 3 Mädchenklassen für jeweils 80 Schüler, Räume für 3 "Industrieklassen" für je 40 Schüler und 2 Abtritte für das Lehrpersonal. Für den II. Stock vorgesehen sind 2 Knabenklassen für je 72 Schüler, eine weitere für 78 Schüler, 2 Mädchenklassen für 72 Schülerinnen, eine für 80 Schülerinnen und eine für 78 Schülerinnen. Hinzu kommen "2 Abtritte für Lehrer". Die Gesamtkapazität der Schule beläuft sich auf 1.524 Sitzplätze,

1941: Bau eines unterirdischen Löschwasserbehälters mit gewölbter Decke vor dem Nordflügel des Schulgebäudes.

1958: Die Planungen zum Bau eines "Sonderschulgebäudes" beginnen. Dieses liegt hinter dem Schulhaus und ist durch einen teilweise überdachten Pausenhof mit dem alten Schulhaus verbunden.

1965: Einbau eines Heizöltanks im Keller, damit Umstellung auf Ölfeuerung.

1971: Die Schule erhält eine Turnhalle, die hinter dem benachbarten Haus 10/1 (ehem. Kleinkinderschule, heute Friedensbergschule) errichtet wird.

Beschreibungen

Die Volksschule - ein mächtiger Baukörper in H-Form - entstand 1882 nach Entwürfen des Haller Stadtbaumeisters Kolb. Der sparsam gegliederte Mittelbau wird von zwei Seitenflügeln flankiert. Breite Gurtbänder, an den Eingangsseiten Portalrahmungen mit Dreiecksgiebel, an den Treppenhäusern große rundbogige, mehrfach geteilte Fenster sind Teile dieser Gliederung. Die Haller Volksschule stellt ein anschauliches Beispiel des kommunalen Schulbaus im letzten Viertel des 19. Jh. dar. (StadtA Schwäb. Hall: Liste der Kulturdenkmale Stadt Schwäb. Hall, Stand 10/1982, S. 299)

 

Langer Graben 10 (Flst.Nr. 0-631/4). Volksschule. Mittelbau und zwei Seitenflügel, Portalrahmungen mit Dreiecksgiebel, Treppenhäuser mit großen rundbogigen Fenstern. Entwurf: Stadtbaumeister Kolb, 1892. § 2. (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Besonderheiten

Die Ausstellung "Katechismus, Nähzeug, Büchermappe" beschäftigte sich 2002 auch mit der Volksschule am Langen Graben:

1812: In der Volksschule sind Mädchen und Jungen getrennt

Unter der württembergischen Regierung wird die Schülerschaft in Hall 1812 neu geordnet. Die jüngsten Kinder besuchen zwei Jahre lang Elementarklassen, danach sind Mädchen und Jungen (mit Ausnahme der Armenschule) getrennt. Man benutzt drei herkömmlichen Schulgebäude, bis 1838 alle in das neue Schulhaus am Haal einziehen. Unterschiedliche Eingänge für beide Geschlechter sollen sie aus „sittlichen“ Gründen voneinander fernhalten. Das Volksschulgesetz von 1836 setzt das Ziel, die „Jugend beiderlei Geschlechts in den für das bürgerliche Leben benötigten allgemeinen Kenntnissen und Fertigkeiten“ zu unterweisen. Bis 1918 ist Schulgeld zu zahlen; trotz allgemeiner Schulpflicht und Strafen sind Schulversäumnisse lange ein Thema.

Mädchen und Jungen werden gleichermaßen in den Fächern Religion (mit der höchsten Stundenzahl), Deutsch, Rechnen, Realien, Zeichnen und Singen unterrichtet. Als 1865 der Handarbeitsunterricht für Volksschülerinnen eingeführt wird, gehen die Stunden vom allgemeinen Unterricht ab. Mit diesem Fach kommen 1866/67 die ersten beiden Lehrerinnen an die Haller Volksschule; sie unterrichten ausschließlich Handarbeiten. Kurz darauf wird erstmals eine Lehrerin für die beiden untersten Mädchenklassen eingestellt. Jahrzehntelang müssen weibliche Lehrkräfte bei der Heirat ihren Beruf aufgeben.

1869 wird die israelitische Religionsschule gegründet, 1885 eine katholische Volksschule. Inzwischen ist die evangelische Volksschule 1882 in ein größeres Gebäude am Langen Graben umgezogen. Nach dem Ersten Weltkrieg steigt die Zahl der Volksschullehrerinnen in Hall leicht an. Die Nationalsozialisten schaffen die Konfessionsschulen ab; jüdische Kinder müssen die Schule verlassen. Der Unterricht für Jungen und Mädchen findet bis 1964 getrennt statt. 

Aus: Ulrike Marski (Hrsg.), Katechismus, Nähzeug, Büchermappe. Weibliche Bildungswege in Schwäbisch Hall. Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung. Schwäbisch Hall 2002, S. 14

Quellen

Literatur:

  • Walter Hampele: Das Haller Schulwesen im 19. Jahrhundert, in: E. Schraut u.a. (Hrsgg.): Hall im 19. Jahrhundert. Eine württembergische Oberamtsstadt zwischen Vormärz und Jahrhundertwende. Eine Ausstellung des Hällisch-Fränkischen Museums mit dem Stadtarchiv Schwäbisch Hall in Zusammenarbeit mit dem Kreisarchiv Schwäbisch Hall (Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums Schwäbisch Hall; Bd. 3), Schwäbisch Hall 1991, S. 118-132
  • Ulrike Marski (Hrsg.), Katechismus, Nähzeug, Büchermappe. Weibliche Bildungswege in Schwäbisch Hall. Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung. Schwäbisch Hall 2002, S. 14
  • Egil Pastor: "Frei, Hoch und luftig gelegen": Die Schule am Langen Graben ist heuer 100 Jahre alt, in: Der Haalquell. Blätter für Heimatkunde des Haller Landes (Beilage zum Haller Tagblatt) 34 (1982), S. 53-56, 57-60, 61-63