Gebäudeverzeichnis

Unterwöhrd - Epinalsteg, früher Kettensteg

Adresse: Unterwöhrd
Primärkatasternummer: keine
Besitzer: 1827
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Besitzerliste

1836: Durch die Stadt Schwäbisch Hall wird zwischen dem Unterwöhrd und den Ackeranlagen eine Brücke, der sog. Kettensteg erbaut.

1954: Am 19. Jun 1954 bricht der Kettenstegs während des Sommernachtsfests durch Überlastung zusammen (s. unten). An seiner Stelle wird ein Notsteg gebaut.

1960: Neubau des "Anlagenstegs" als geschwungene Stahlbetonbrücke (Nov./Dez. abgeschlossen).

1964: Der "Anlagensteg" wird aus Anlass der neu geschlossenen Städtepartnerschaft mit Epinal (Frankreich) "Epinalsteg" benannt.

Beschreibungen

Der Ketten- später Epinalsteg

Vor 1836 befand sich am Standort das sogenannte "Ställe", eine Notbrücke, die vom Unterwöhrd in die Ackeranlagen führte und von den Siedern und dem Haal (der Saline) gemeinsam unterhalten werden musste. Er wurde über den Winter abgebaut und eingelagert, um Schäden durch Hochwasser und Eisgang zu vermeiden, und dann im Frühjahr neu errichtet. Ein weiterer, 1809/10 angelegter Weg vom Unterwöhrd in die Ackeranlagen führte durch die "Stadtmühle" über die Radstube durch eine Öffnung in der Stadtmauer und war 1836 baufällig, weshalb Müller Hambrecht eine Verantwortung für eventuelle Unglücksfälle ablehnte.

Über das Vorhaben des Gemeinderats, an Stelle dieses "Ställe" einen freitragenden, an Ketten aufgehängten Steg zu errichten, kam es zu einem Streit mit dem Bürgerausschuss, in dem sich der Gemeinderat schließlich durchsetzte. Der Grund für den Konflikt waren die zu erwartenden hohen Kosten. Zur Finanzierung verwendete man 1.600 Gulden, die eigentlich für den Neubau der Nikolaikapelle auf dem Friedhof vorgesehen waren, und weitere 150 Gulden "für nicht vorgesehene Fälle". Ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss vom 1. März 1936 wurde vom Oberamt am 14. März bestätigt. Ausgeführt wurde das Bauwerk durch die Handwerksmeister Georg Andreas Kolb, Johann Jakob Bökle, Georg David Dötschmann und David Lorenz Holch, die den Gemeinderat nach der Fertigstellung um einen Zuschlag von 393 Gulden zum Angebotspreis von 2.134 Gulden baten, da sie sonst in Verlust geraten würden. Der Entwurf für den Steg stammte vermutlich von Holch. Ein Haltbarkeitstest fand am 26. Oktober 1836 mit Hilfe von 34 Personen statt, die auf der Brücke hin- und herliefen. Als Fazit stellte man fest, "daß der voraussichtliche Gebrauch des Stegs auch nicht mit der geringsten Gefahr verbunden ist". Die Kettenkonstruktion hing an vier "Pylonen" (rechteckigen Säulen) aus rotem Sandstein, die mit Blattkapitellen im nachklassizistischen Stil dekoriert waren.

Am 19. Juni 1954 stürzte der Kettensteg während des Sommernachtsfests wegen Überlastung ein (s. unten). Erst einen Monat nach dem Unglück beriet der Gemeinderat über die Errichtung eines Notstegs, was Oberbürgermeister Hartmann eine Rüge wegen der Verzögerung einbrachte. Nachdem der Notsteg baufällig geworden war und abgebrochen werden musste, vergab der Gemeinderat den Auftrag zum Bau eines neuen Spannbetonstegs am 3. August 1960 für knapp 69.000 DM an das Haller Baugeschäft Härer. Geplant waren eine Länge von 35 m, eine Breite von 3,50 m (Gehwegbreite 2,98 m) und ein 75 cm hoher Bogen, der dem Bauwerk eine "leichte und elegante Form" verleihen sollte. Verbaut wurden etwa 60 Kubikmeter Beton und 7 Tonnen Stahl. Der Abbruch des Notstegs begann am 24. August 1960, der neue Steg sollte bis Dezember 1960 fertig gestellt sein. Zwischen dem Architekten Prof. Viktor Rembold und Bürgermeister Hartmann kam es zu einer Kontroverse, da ersterer mit Unterstützung des ehemaligen Stadtbaumeisters Benz die Errichtung einer hölzernen Brücke nach dem Vorbild des Sulfer- und Roten Stegs favorisierte. Kontrovers diskutiert im Gemeinderat und in der Öffentlichkeit wurde die Frage, ob die Pylonen (Säulen) des alten Kettenstegs wieder aufgestellt werden sollten oder nicht. Der Gemeinderat entschloss sich am 30. November 1960 dagegen, was Kritik u.a. des Landesdenkmalamts und von Dr. Eduard Krüger auslöste.Später hat man diese Entscheidung jedoch revidiert und zwei der Pylonen auf dem Unterwöhrd wieder aufgestellt.

Den Namen "Epinalsteg" erhielt das bisher als "Anlagensteg" bezeichnete Bauwerk am 12. Juli 1964 aus Anlass der Städtepartnerschaft mit der französischen Stadt Epinal.

Besonderheiten

Das Kettensteg-Unglück 1954

Bereits vor dem Unglück während des Sommernachtsfests am 19. Juni 1954 waren statische Probleme beim Kettensteg bekannt. Die Polizei hatte deshalb eine Art "Einbahnstraßenverkehr" eingerichtet und nur 25-30 Personen gleichzeitig auf den Steg gelassen. Nachdem der Ansturm von Besuchern des Sommernachtsfests gegen 22:45 Uhr immer stärker wurde, gab man das Betreten des Stegs jedoch frei. Der Steg begann zu schwingen und brach dann zur Stadtseite hin zusammen. Etwa 200 auf dem Kettensteg befindliche Personen wurden in das 0,8 bis 1,2 m tiefe Wasser geschleudert. An der Rettungsaktion beteiligten sich neben Feuerwehr- und DLRG-Männern auch viele Passanten, darunter auch etliche US-Soldaten. Die Geretteten wurden im Solbadsaal erstversorgt. Ein 30jähriger Mann starb während des Unglücks, eine Frau mit einer Beinverletzung erlag später einem Wundstarrkrampf. Insgesamt zählte man zwischen 84 und 115 Verletzte, von denen 37 in das Diakonissenkrankenhaus kamen. 16 von ihnen mussten stationär behandelt werden. Der Leiter der Schwäbisch Haller Stadtpolizei wurde wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung zunächst zu einer Geldstrafe, in zweiter Instanz zu einer achtmonatigen Haftstrafe verurteilt.

Quellen

Archivalien:

  • StadtA SHA 21/922 (Erbauung des Kettenstegs, 1836-1839); 21/1828 (Bau und Erneuerung von Brücken und Stegen, 1881-1935); 35/10579 (Kettenstegunglück 1954); 35/16138 (Neubau des Kettenstegs, 1961); 35/16144 (Unfallschäden durch den Einsturz des Kettenstegs, 1954); 35/16151 (Kettenstegunglück und Neubau, 1954)
    Anm.: bislang nur teilweise ausgewertet

Literatur:

  • Haller Tagblatt v. 03.09.1960 (Neubau), 27.08.1984 (Kettensteg-Unglück)
  • Eduard Krüger: Die Pylone am Anlagensteg, in: Haller Tagblatt v. 7.12.1960
  • Paul Schwarz: Der Haller Stadtrat erzwingt den Bau des Kettensteges, in: Der Haalquell 17 (1960), S. 68
  • Harald Siebenmorgen: Öffentliche Bauten in Schwäbisch Hall 1830-1900, in: ders., Elisabeth Schraut, Manfred Akermann (Hrsgg.): Hall im 19. Jahrhundert. Eine württembergische Oberamtsstadt zwischen Vormärz und Jahrhundertwende (Kataloge des Hällisch - Fränkischen Museums Schwäbisch Hall; Bd. 5), Sigmaringen (Thorbecke) 1987, S. 75-110, hier S. 75-76