Gebäudeverzeichnis

Steinbacher Straße 64 - Friedhofskapelle

Adresse: Steinbacher Straße 64
Primärkatasternummer: Lit. B (125, 6)
Besitzer: 1827
Heiligenpflege, kathol.


Besitzerliste

1830 (Primärkataster):  der Heilige (= Heiligenpflege, kirchliche Vermögens- und Liegenschaftsverwaltung)

Kapelle auf dem Friedhof zwischen dem Fahrweg nach Hagenbach und dem Fußweg nach Hall.

Gehört der katholischen Kirchenpflege Steinbach.

Der Friedhof wurde in Folge einer Verhandlung des Stiftungsrats und des Bürgerausschusses am 20. Januar 1853 mit Genehmigung der Kreisregierung zu Ellwangen vom 5. Juli 1853 auf die Gemeindepflege übertragen.

1900 umgeschrieben in das Grundbuch.

Beschreibungen

1830 (Primärkataster): Kirchhof, eine Capelle mit 6,3 Ruthen, der Todtenacker mit 12,3 Ruthen

Einträge aus den Dekmallisten

Steinbacher Straße 64 (Flst.Nr. 2-407, 2-407/1). Friedhofskapelle (§ 28) mit Friedhofsmauer und steinernem Kruzifix (Sachgesamtheit) § 28 (aus: Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, Stadt Schwäbisch Hall, Stand 13.11.2013)

Der katholische Friedhof von Steinbach und die Friedhofskapelle

Der Friedhof wurde "in anno 1690" durch das Reichsstift Comburg auf den diesem gehörenden "sogenannten Lindachs- oder Kocherwiesen jenseits Kochers" neu angelegt. Er diente offenbar als Ersatz bzw. Erweiterung des Kirchhofs um die Kirche St. Johannes in Steinbach, der nur eine sehr begrenzte Fläche und kaum Erweiterungsmöglichkeiten bot. 

Drei Jahre später ließen Dekan Johann Heinrich Graf von Ostein (Amtsinhaber 1674-1695) und das Kapitel des Stifts eine Friedhofskapelle erstellen, die die Formen des "Heiligen Grabs" in Jerusalem aufnimmt. Der Grundriss des Langschiffs der Kapelle bildet ein längliches Rechteck von 5,15 x 7,19 m. An dieses schließt sich ein dreiseitiger Chorschluss an, durch den die Gesamtlänge des Gebäudes auf 9,47 m anwächst. Hinzu kommt noch eine 3,45 m tiefe Vorhalle, die von zwei toskanischen Säulen getragen wird. Die fünf Seiten des fensterlosen Chores wurden durch Blendarkaden geschmückt, die sich auf verjüngte, flache Pilaster stützen. Auf dem Chor sitzt ein von sechs Säulchen getragener, offener Dachreiter in Prymidenform. Ältere Abbildungen zeigen hier eine welsche Haube (bzw. Zwiebelhaube) und lassen annehmen, dass der Chor ursprünglich flach gedeckt und damit niedriger als das Langschiff war. Der Umbau, der möglicherweise erst im 19. Jahrhundert stattgefunden hat, ist bislang nicht datiert.

Das Innere weist im Westteil ein Kreuzgratgewölbe auf, im Ostteil ein Tonnengewölbe, das entsprechend dem Chorschluss dreiseitig endet. Der Innenraum hat heute eine Einteilung, die das Ergebnis von Umbauten wohl des 19. Jahrhunderts ist. Demzufolge gab es früher  zwischen Langschiff und Chor eine Mauer mit einer niedrigen Bogentür, durch die man in den als Heiliges Grab gestalteten Chorraum eintreten konnte. Der Beleuchtung diente ein kleines, heute zugemauertes Fensterchen auf der Nordseite. Auf der rechten Seite des Chores befand sich die Steinskulptur des Leichnams Christi, an der Rückwand der Apsis ein Altar mit hohem Kruzifix und Figuren der Maria und des Johannes. Im Zuge des Umbaus beseitigte man die Zwischenwand und legte den Chorfußboden um zwei Stufen höher. Der (neue) Altar wurde auf eine dritte Stufe gestellt; die Christusfigur ist damit nur noch schlecht zugänglich. An der Rückwand des Altars stehen die Figuren einer Kreuzigungsgruppe, die Prof. Fritz Arens teils auf das 18. (Maria und Johannes), teils auf das 19. Jahrhundert (Kruzifix) datiert hat.  Der Altartisch stammt wahrscheinlich aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert. Der Umbau spiegelt offenbar den Bedeutungsverlust der Heiliggrabverehrung. In den Vordergrund trat demzufolge die Nutzung als Leichenhalle bzw. Friedhofskapelle. Das Kruzifix vor der Nordseite stammt aus dem 18. Jahrhundert. Auf älteren Fotos noch erkennbare Figuren wohl der Maria und des Johannes sind nicht mehr vorhanden. Das Wappen der Familie von Sickingen auf der Vorderseite des Sockels deutet auf den Comburger Stiftsherren und Würzburger Probst Ferdinand Christoph Peter von Sickingen (gest. 1793) als Stifter.

Die Reichsstadt Schwäbisch Hall hat gegen den Bau der Kapelle "hefftig", aber vergeblich "opponirt", da sie darin einen Verstoß gegen ihr "jus episcopalis" (Bischofsrecht) sah. Das Reichsstift berief sich dem gegenüber auf seine Rechte als Territorialherr. Der Friedhof diente als Grablege der katholischen Bevölkerung Steinbachs und der Katholiken in den kleineren Orten der Umgebung. Einige Grabdenkmäler aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, darunter der Unternehmerfamilien Erath und Waelde, haben sich erhalten. Auf dem Friedhof wurden 1945 mehrere Zwangsarbeiter bestattet, die alliierten Luftangriffen auf den Hessentaler Fliegerhorst zum Opfer fielen. Auch das Grab des Schwäbisch Haller Ehrenbürgers Max Kade (1882-1967) und seiner Frau Annette geb. Baudais (1882-1974) befindet sich hier. (Text v.a. nach Beutter und Arens, s. unten). 

Quellen

Archivalien:     

  • Landratsamt Schwäbisch Hall, Vermessungsamt, Primärkataster für Steinbach (Kopie im Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Signatur S01/1559)

Literatur:

  • Fritz Arens: Die Heilig-Grabkapelle auf dem Friedhof in Schwäbisch Hall-Steinbach, in: Württembergisch Franken 69 (1985), S. 261-266
  • Herta Beutter: Die Heilig-Grabkapelle auf dem Friedhof in Schwäbisch Hall-Steinbach, in: Württembergisch Franken 70 (1986), S. 147-150
  • StadtA Schwäb. Hall 86/226, Nr. 71